Mannheim. In diesen Tagen machen sich viele Familien auf in den Sommerurlaub. Gut, wenn man dann einen großen Transporter hat, der die Großfamilie und das dazugehörige Gepäck locker unterbringt. Die Reise kann man jetzt sogar mit einem guten Gewissen für die Umwelt antreten. Denn mit der Neuauflage hat Mercedes-Benz der V-Klasse gleich auch eine Variante mit Elektroantrieb an die Seite gestellt. Optisch gegenüber dem Verbrenner nur minimal verändert, ist der EQV die erste elektrische Premium-Großraumlimousine der Schwaben. Sogar der Tankdeckel zwischen Fahrertür und Schiebetür ist vorhanden, nur, dass dort eben keine Stutzen mehr vorhanden sind.
Stattdessen wird ein Ladekabel angeschlossen, vorne links, was den Vorteil hat, dass Ladesäulen vorwärts angesteuert werden können. Denn bei 5,32 Meter Länge, die der Van in der längsten Version misst, könnte das Rückwärtsrangieren – trotz optionalen Park-Pakets mit 360-Grad-Kamera – sehr mühsam werden.
Wenn sich auch der Tank- bzw. Ladeprozess verändert – was geblieben ist, ist das großzügige Raumgefühl mit einem großen und variablen Gepäckraum. In verschiedenen Konfigurationsmöglichkeiten können bis zu acht Personen mitfahren, die selbst in der dritten Reihe eine luxuriöse Kopf- und Beinfreiheit vorfinden. Weil die Batterie im Unterboden verbaut ist, gibt es keine Einschränkungen beim Raumangebot.
Nur Roll- und Windgeräusche
Und noch etwas hat bei Mercedes ins elektrische Zeitalter überlebt: der Zündschlüssel. Ist er ins Schloss gesteckt und umgedreht, kann es losgehen. Wie bei Elektrofahrzeugen üblich, sprintet auch der EQV mit einer satten Beschleunigung los – ohne es zu übertreiben. Weil der Motor im Gegensatz zu dem knatternden Diesel aber geräuschlos arbeitet, sind nur noch Roll- und Windgeräusche zu vernehmen, so dass sich die Reise viel leiser und damit noch angenehmer gestaltet. Die Lenkung spricht direkt an, wenngleich der Van wirklich nicht dafür gemacht ist, ihn wild durch Kurven zu jagen.
Wer sich für dieses Fahrzeug entscheidet, will komfortabel unterwegs sein. Hier wird mit der neuen, Federung Airmatic (plus 2405 Euro) eine neue Dimension erreicht. Sie reduziert die Aufbaubewegungen und passt das Fahrwerk an die Straßenverhältnisse an. Ergebnis: Der EQV gleitet selbst über Kopfsteinpflaster und holprige Straßen und bügelt alles weg. Beim Überfahren von Gullys und Querfugen ist nur ein dumpfes Poltern zu hören.
Trotzdem glänzt nicht alles, was einen Stern trägt. Das Display in der Mittelkonsole könnte ruhig ein paar Zoll mehr an Größe vertragen und statt symmetrisch in der Mitte stehend mehr zum Fahrer hin geneigt sein. Zwar lässt sich das System auch per Sprache steuern, doch die Entfernung vom Fahrersitz ist schon recht groß, um mit dem Finger immer die gewünschte Fläche auf dem Display zu treffen. Auch die Bremsleistung auf Gefällstrecken überrascht – im negativen Sinne. Hier ist schon ein kräftiger Tritt aufs Pedal notwendig, und trotzdem bleibt eine hohe Verzögerung.
Durchschnittlich 26 kWh benötigte der EQV – bei gemächlicher Fahrweise – im Test. Wenn an heißen Sommertagen noch der riesige Innenraum mit der Klimaanlage heruntergekühlt werden muss, wird rasch die 30 kWh-Marke geknackt. Optimieren lässt sich die Reichweite, die unter diesen Bedingungen nur noch knapp über 300 Kilometer liegt, über vier Fahrmodi und fünf Rekuperationsstufen. Nicht ohne Grund regelt der Motor bei 140 km/h ab, gegen einen Aufpreis von 193 Euro erst bei 160 km/h. Zu empfehlen sind solche Geschwindigkeiten mit Blick auf den Verbrauch allerdings nicht.
Die bequeme Reise unter Strom hat ihren Preis: Der Testwagen erreichte fast 104 000 Euro, und da waren die Luxussitze zu je fast 4850 Euro noch nicht verbaut. Günstigste Version ist der EQV 250 mit einer 60 kWh-Batterie zu einem Preis von knapp 68 000 Euro – allerdings reicht dann der Akku nur für 232 Kilometer.
Mercedes-Benz EQV 300 lang Avantgarde Line
Motor: Elektromotor
Leistung: 150 kW / 204 PS
Batteriegröße: 90 kWh
Max. Drehmoment: 362 Nm
Antrieb: Vorderradantrieb, Einstufenautomatik
Höchstgeschw.: 140 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 12,1 Sekunden
Verbrauch pro 100 Kilometer (Werksangaben/WLTP): 28,9 kWh / Testverbrauch: 26 kWh
Reichweite: 344 km (lt. Hersteller, WLTP)
Länge: 5140 mm, Breite: 1928 mm, Höhe: 1962 mm
Leergewicht: 2936 kg
Kofferraumvolumen: 1030 –4630 l
Preis: 77 935 Euro
Serienausstattung: beheizb. Frontsitze, Schiebetüren rechts und links, Vorklimatisierung, Klimaanlage, Navigation, Tempomat, Hochvoltbatterie, Ladekabel Typ 2, versch. Assistenzsysteme. cs
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