Berlin. Die Regionalbahn fährt in fünf Minuten. Am Bahnsteig angekommen, gilt es, das Faltrad schnell in sich zusammenzulegen. Im fahrbereiten Zustand dürfte es zwar wie ein normales Rad ebenfalls mit ins Fahrradabteil, doch dann gälte es nicht als Gepäckstück. Als solches aber bewerten die meisten Verkehrsverbünde wie auch die Deutsche Bahn Falträder: Sind sie eingeklappt, muss kein Fahrradticket gelöst werden. Auch für Inhaber eines 49-Euro-Tickets, die aus dem Umland regelmäßig in die Stadt pendeln, dürfte das Sparpotenzial interessant sein.
Fahrräder mit Klappfunktion gibt es schon lange. 1878 präsentierte der Londoner Ingenieur W. H. J. Grout ein zerlegbares Hochrad. „Es ist eines der ersten Falträder in der Geschichte des Fahrrads“, sagt Faltradexperte Gunnar Fehlau. Vergleichsweise neu am Markt sind Modelle von Vello, Bernds oder Tern. Zu den modernen Klassikern zählen das Birdy von Riese & Müller, das Moulton aus England, Modelle von Bike Friday aus Oregon und das Brompton aus London, das wir in der Version C Line Explore (6 Speed) zu Testzwecken ausprobieren.
Der Einsatzzweck: Das Bike ist für Job und Freizeit gedacht – für junge Berufspendler, die mit Bahn pendeln, bis zu Ruheständlern, die es im Urlaub als Ergänzung zum Caravan, dem Wohnwagen oder einem Boot nutzen, sagt Jan Brinkmann als Marketingmitarbeiter bei Brompton.
Die Technik: Um auf Akzeptanz bei Radlerinnen und Radlern zu treffen, muss bei einem Faltrad vor allem der Faltmechanismus überzeugen. Anfänger benötigen zunächst länger als die vom Hersteller angegebenen 20 Sekunden, um die 3-Wege-Falttechnik zu bedienen. In stressigen Situationen am Bahnsteig freut man sich über jeden Hauch hinzugewonnener Routine.
Der patentierte Mechanismus wirkt ausgreift und durchdacht. Sicher wirkt der Rahmenverschluss aus Knebelschraube und Alu-Klemmstücken, der an Lenkstange und Hauptrohr zum Einsatz kommt und sich mit Handkraft sehr fest anziehen lässt.
Der Fahreindruck: „Kling“, der Rahmen tönt hell, wenn man mit einem Schlüssel oder anderen Metallteil dagegen klopft – wir haben es mit der Stahlrahmen-Ausführung C Line zu tun, die samt Sechsgang-Schaltung und Gepäckträger dem Original von 1975 am nächsten kommt. Seitdem werden am Londoner Stammsitz Brompton-Falträder in Handarbeit gebaut. Jüngst vermeldete das Unternehmen das einmillionste produzierte Exemplar.
Kein Wunder also, dass sich das Fahren erwachsen anfühlt. Als nervös, aber auch präzise auf Befehle hörend kann man das Lenkverhalten des Vorderrades empfinden. Weil die Reifen am Testrad schmal sind, muss man a) bei Straßenbahnschienen höllisch aufpassen und b) mit recht hohem Luftdruck fahren. Das schmälert den Abrollkomfort. Wie eine – zugegeben etwas schwere – Handtasche von gut zwölf Kilo lässt sich der Falter einigermaßen bequem über Treppen am Bahnsteig oder in den Zug schleppen. Für längere Strecken zwischen den Gleisen oder vom Bahn- zum Busbahnhof lässt sich das zusammengeklappte Rad am ausgefahrenen Sattelrohr aber auch ziehen oder schieben. Der Preis: Die C Line Explore (6 Speed) kostet ab 1700 Euro, die dank Titanrahmen mit ab 7,45 Kilo besonders leichte T-Line schlägt mit mindestens 4750 Euro zu Buche. Als Pedelec kostet das Brompton ab 3495 Euro.
Das Fazit: Faltbar, praktisch, gut – der britische Faltrad-Klassiker bewährt sich als Ergänzung auf alltäglichen Wegen. Das System bringt mit sich, dass das Origami-Stahlross keine Sänfte ist und die Ladekapazitäten beschränkt sind. Dafür dürfte mancher Radler aufatmen, die letzte Meile im Sattel statt in einer vollen U-Bahn bestreiten zu können. tmn
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/wirtschaft/auto_artikel,-auto-unterwegs-mit-klapprad-klassiker-_arid,2130769.html