IHK Rhein-Neckar

IHK-Präsident Schnabel ehrt Unternehmer und AfD-Abgeordneten Kaufmann – und erntet Kritik

Sollte ein IHK-Präsident einem AfD-Vertreter persönlich eine Medaille überreichen? Nein, sagen Kritiker im Netz. Wie die Kammer und Manfred Schnabel die Angelegenheit einordnen.

Von 
Tatjana Junker und Alexander Jungert
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Screenshot des LinkedIn-Posts von Malte Kaufmann, erstellt am 24. September 2025. Das Foto zeigt Manfred Schnabel (links) neben dem AfD-Abgeordneten. © Screenshot LinkedIn/Kaufmann

Mannheim. Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar, überreicht einem Unternehmer und Bundestagsabgeordneten eine silberne Medaille. Als Auszeichnung für 15 Jahre Mitgliedschaft in der Vollversammlung der Kammer.

Diese Geschichte wäre eigentlich schon auserzählt. Doch der Empfänger der Medaille ist Malte Kaufmann. Der Immobilienunternehmer aus Mühlhausen bei Heidelberg sitzt für die AfD im Bundestag. Der Verfassungsschutz hat die Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft – dagegen klagt die AfD.

Darf ein IHK-Präsident lächelnd neben einem AfD-Vertreter auftreten, ihm sogar persönliche eine Medaille überreichen?

Diese Frage wirft der Mannheimer Musiker und ehemalige Stadtrat Markus Sprengler in einem Facebook-Post auf. Er saß in der Vergangenheit zunächst für die Grünen und später noch eine Weile für die SPD im Gemeinderat. Auf seinem Profil hat Sprengler einen Screenshot gepostet, der wiederum einen LinkedIn-Beitrag von Kaufmann zeigt. Darin hat der AfD-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Heidelberg ein Foto von sich und Schnabel bei der Verleihung der Auszeichnung veröffentlicht: Kaufmann hält dabei eine Urkunde der IHK in der Hand, Schnabel die Schatulle mit der Medaille.

Malte Kaufmann war früher CDU-Mitglied, später wechselte er zur AfD

Kaufmann, der bis 2016 CDU-Mitglied war und 2017 zur AfD wechselte, schreibt dazu in dem Post, inzwischen sei er aus der Vollversammlung ausgeschieden und nun vollzeitig in der Politik. „Das Unternehmertum und die Belange der Wirtschaft werde ich immer im Herzen behalten. Es war mir eine Ehre!“

Sprengler sieht die Verleihung und auch das dabei entstandene Foto kritisch: Sich mit einem Abgeordneten der AfD „ablichten zu lassen und ihm auch noch persönlich eine Medaille zu verleihen, geht zu weit“, schreibt er in seinem an den IHK-Präsidenten gerichteten Facebook-Post. Indem er Kaufmann die Medaille persönlich verliehen habe, hofiere er den AfD-Abgeordneten geradezu, kritisiert Sprengler, der als selbstständiger Kultur- und Eventmanager nach eigenen Angaben selbst Mitglied bei der IHK Rhein-Neckar ist. „Da ist für mich eine Grenze überschritten. Man hätte die Medaille im Zweifel auch per Post schicken können.“

Ähnlich argumentiert der Mannheimer Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier: Auch wenn es die Regularien der IHK vorsähen, dass Vollversammlungs-Mitglieder nach einer bestimmten Zeit geehrt werden, sei immer noch die Frage, „wie exponiert“ man das tue. „Ich hätte mir von Manfred Schnabel zum Beispiel einen Satz der öffentlichen Distanzierung gewünscht“, erklärt Fontagnier. Auch hätte man aus Sicht des Grünen-Politikers überlegen können, die Medaille wenigstens nicht persönlich durch den IHK-Präsidenten – und damit durch den höchsten ehrenamtlichen Vertreter der Kammer – überreichen zu lassen.

IHK verweist auf das politische Neutralitätsgebot

Die IHK hat schon vor einigen Tagen auf Facebook auf die Kritik reagiert. Auf Anfrage dieser Redaktion äußert sich Präsident Schnabel auch selbst. In einem Statement schreibt er: „Die IHK Rhein-Neckar ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Wir müssen der Chancengleichheit der Parteien Rechnung tragen.“ Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verboten sei, sei die Kammer dazu verpflichtet, alle politischen Parteien bzw. deren Vertreter gleichzubehandeln. „Eine inhaltliche Differenzierungsmöglichkeit nach Parteiprogramm oder nach Positionen existiert nicht.“

Schnabel zufolge gilt „dieser Grundsatz auch für unsere von der Vollversammlung verabschiedete Ehrungsrichtlinie. Anhand dieser wurde Herr Dr. Malte Kaufmann als Unternehmensvertreter – und nicht als Parteimitglied – geehrt.“

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In der Ehrungsrichtlinie sei festgelegt, dass das Ehrungsabzeichen der IHK Rhein-Neckar in Silber an Vollversammlungsmitglieder verliehen werden könne, die zwei volle Wahlperioden in der Vollversammlung tätig gewesen seien. Diese Richtlinie müsse trotz der „Kann-Formulierung“ das parteipolitische Neutralitätsgebot beachten. „Als höchstrangiger Ehrenamtsvertreter nimmt grundsätzlich der IHK-Präsident diese Ehrungen vor“, heißt es abschließend.

Schnabel ist seit Januar 2018 ehrenamtlich Präsident der IHK Rhein-Neckar, in der vergangenen Woche wurde er für eine weitere fünfjährige Amtszeit gewählt.

Vortrag von Julian Reichelt in IHK-Räumen sorgt für Irritationen

Die IHK nimmt auf Facebook zudem zu einem weiteren Vorwurf Stellung, den der frühere Stadtrat Sprengler dort veröffentlicht hat: Er prangert an, dass in den Räumen der Kammer im Juni ein Vortrag des umstrittenen früheren „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt stattgefunden hat. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte das Forum Wissenschaft, Wirtschaft & Politik der Metropolregion Rhein-Neckar, kurz FWP. Der Verein hat auf eine schriftliche Anfrage dieser Redaktion bis Donnerstagnachmittag nicht reagiert.

Seine Hauptaufgabe sieht der Verein „in gut fundierter Informationsarbeit jenseits und komplementär zu den professionellen Medien“, so steht es auf der Internetseite. Regelmäßig hält das FWP Veranstaltungen in der Region ab. Die Rednerliste ist voll mit prominenten Namen: ZEW-Präsident Achim Wambach ist darauf zu finden oder der ehemalige Wirtschaftsweise Lars P. Feld.

Bei seinem Vortrag „Meinungsfreiheit und Cancel Culture“ vor dem FWP Ende Juni erklärte Reichelt, von der neuen US-Administration gehe eine neue, ansteckende Popkultur der freien Rede aus. Jeder Journalist dürfe bei Präsident Donald Trump alle möglichen Fragen stellen. Trump antworte dann ehrlich und frei raus, was er denke – ohne die sonst üblichen geschliffenen Sätze. Der Vortrag ist auf der Internetseite von FWP in einem Video zu sehen.

Allerdings erwähnte Reichelt mit keiner Silbe, dass Trump regelmäßig Journalisten beschimpft, US-Medien verklagt oder gar von Veranstaltungen ausschließt. Reichelt verantwortet das Nachrichtenportal „Nius“, das als rechtspopulistisch gilt. Unter Medienwissenschaftlern und Journalistengewerkschaften ist es umstritten, immer wieder gibt es Beschwerden wegen Verstößen gegen journalistische Grundsätze.

IHK: Auswahl der Speaker erfolgt ohne unser Mitwirken

Auf Nachfrage dieser Redaktion zu dem Vortrag in ihren Räumen reagiert die IHK mit folgendem Statement: „Die IHK Rhein-Neckar stellt ihre Räumlichkeiten gemäß der geltenden Vermietungsrichtlinie zur Verfügung. Die Auswahl der Referenten sowie inhaltliche Fragen der Meinungsäußerung liegen in der Verantwortung des jeweiligen Veranstalters. Bei einem parteipolitisch neutralen Veranstalter wie dem FWP-Gesprächskreis gehen wir davon aus, dass die getätigten Aussagen im Spektrum gemäß Artikel 5 GG der Meinungsfreiheit liegen. Der FWP-Gesprächskreis hat einen langfristigen Mietvertrag mit der IHK Rhein-Neckar und lädt regelmäßig externe Referenten ein. Die Auswahl der Speaker und die jeweilige Einladung erfolgt ohne unser Mitwirken.“

Der nächste Gast vor dem FWP steht unterdessen schon fest: Für Mitte Oktober ist Historiker Rainer Zitelmann als Redner angekündigt. Sein Buch „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“ ist unter anderem im Shop des rechtsextremen Compact-Magazins erhältlich. Thema von Zitelmann beim Forum Wissenschaft, Wirtschaft & Politik: „Warum ist Kapitalismus sozial und Sozialismus unsozial?“ Wo dieser Vortrag stattfindet, steht noch nicht auf der Internetseite von FWP.

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