Mannheim. „Betriebsratschef des Großkraftwerks Mannheim scheitert mit Klage gegen Gehaltskürzung“ titelte unsere Zeitung im April. Allerdings steht das Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht noch aus. Weil auch andere Unternehmen angesichts neuer Rechtsprechung den Rotstift bei Bezügen freigestellter Mitglieder von Belegschaftsgremien angesetzt haben, sind inzwischen bei mehreren Arbeitsgerichten Verfahren anhängig. Beispielsweise wehren sich in Stuttgart Porsche-Betriebsräte gegen Kürzungen ihrer Vergütungen.
Lohnausfallprinzip als Maßgabe
Wie der Pressesprecher des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg mitteilt, hat eine Abfrage bei den landesweiten Arbeitsgerichten in der ersten Juli-Woche ergeben, dass jenseits von Mannheim sechs Klagen von Betriebsräten wegen reduzierter Gehälter anhängig sind - nämlich vier „Porsche-Verfahren“ in Stuttgart und zwei weitere Streitfälle bei den zu Ulm gehörenden Außenkammern Ravensburg. Der Betriebsrat des Sportwagenherstellers Porsche habe zusätzlich ein Beschlussverfahren angestrengt, in dem es auch um Auskunftsansprüche beim Ermitteln der Vergütung vergleichbarer Beschäftigten geht. Hintergrund: Da die Bezahlung freigestellter Männer und Frauen von Personalvertretungen nach dem Lohnausfallprinzip erfolgt und weder benachteiligen noch begünstigen darf, werden als Maßstab interne Karrieren mit ähnlichen Ausbildungen und Aufstiegsmöglichkeiten herangezogen.
Ein Beschlussverfahren hatte auch der Betriebsrat des Großkraftwerks Mannheim (GKM) angestrengt: Es sollte klären, ob die gewählte Belegschaftsvertretung beim Kürzen der Bezüge des BR-Chefs hätte zustimmen müssen. Sowohl die erste Instanz wie auch das Landesarbeitsgericht entschieden, dass kein Recht auf Mitbestimmung vorgelegen hat. Obwohl die LAG-Kammer im Mai ausdrücklich den Weg zum Bundesarbeitsgericht zuließ, verzichtete der GKM-Betriebsrat auf eine Beschwerde. Inzwischen ist das Beschlussverfahren „rechtskräftig abgeschlossen“, so der Sprecher des Landesarbeitsgerichts.
Dass die Gehälter von freigestellten Betriebsratsmitgliedern derzeit in vielen Unternehmen überprüft werden, hat mit einem zu Jahresbeginn gefällten Urteil des Bundesgerichtshofs zu tun: Darin erklärt der BGH die „hypothetische Entwicklung“ solcherart Gehälter für unzulässig. Anders ausgedrückt: Sonderkarrieren mit der Bezahlung von Co-Managern gelten als rechtswidrig und können sogar den Tatbestand der Untreue erfüllen.
Umfrage bei regionalen Firmen
Was sich rund um Einkünfte freigestellter BR-Mitglieder gerade in Chefetagen tut, dazu dringt wenig an die Öffentlichkeit. Auf Anfrage unserer Redaktion teilt beispielsweise das Mannheimer Energieunternehmen MVV mit: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über Gehaltsstrukturen - auch für Betriebsräte - keine Angaben machen.“ Für den Landtechnikhersteller John Deere erklärt Thomas Peuntner, Personaldirektor Europa, am Rande des Jubiläumfestes der seit hundert Jahren in Mannheim bestehenden Ausbildungswerkstatt: „Wir pflegen ein gutes Verhältnis mit dem Betriebsrat.“ Gehaltskürzungen, die zu Klagen führen könnten, seien in dem Traktorenwerk nicht vorgesehen.
„Bei der Vergütung der frei gestellten Betriebsratsmitglieder werden die gesetzlichen Grundsätze des Betriebsverfassungsgesetzes eingehalten“, betont die linksrheinische BASF. Außerdem lässt der Chemie-Konzern wissen: „Verfahren zu Betriebsratsvergütungen gibt es keine und werden auch nicht erwartet.“ Und das Arbeitsgericht Ludwigshafen teilt auf Anfrage mit, aktuell seien keine entsprechenden Klagen anhängig.
Gleichwohl dürften derzeit so ziemlich alle Geschäftsführungen wie auch Belegschaftsvertretungen aufmerksam verfolgen, was sich juristisch tut. Beispielsweise haben zwei freigestellte Betriebsratsmitglieder der Volkswagen AG erfolgreich gegen ihre Gehaltsrückstufungen geklagt. Das Arbeitsgericht Braunschweig sprach mit Urteil vom 5. Juli 2023 die jeweilige Vergütungsdifferenz in vollem Umfang zu.
Hingegen befinden sich die Porsche-Verfahren im Anfangsstadium. Und im Streit um die gekürzten Bezüge des BR-Vorsitzenden beim GKM gibt es noch keinen Termin für die mündliche Verhandlung vor einer der Mannheimer LAG-Kammern. Der Ausgang dieser Prozesse in Mannheim wie Stuttgart dürfte vielerorts mit Spannung erwartet werden.
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