Mannheim. In dem Prozess vor dem Mannheimer Landgericht wegen Einschleusens illegaler Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern hat die Staatsanwältin vor einigen Tagen die Schlussvorträge eröffnet und für alle vier Angeklagten mehrjährige Gefängnisstrafen gefordert. Jetzt haben die Teams der Verteidigung dargelegt, warum sie deutlich mildere Strafen für angemessen halten.
Auch wenn die Vorwürfe gegen die drei Männer und eine Frau unterschiedlich ausfallen, durchziehen Gemeinsamkeiten ihre Plädoyers. Unisono wenden sich die Rechtsbeistände gegen das zur Last gelegte Konzept gemeinsamer Absprachen im Sinne einer Bande. Sie argumentieren, dass es um gefälschte Identitätsausweise geht, nicht aber um klassische Schleusungs-Kriminalität, beispielsweise gefährliche Fahrten in Lkw-Verstecken. Außerdem sei in keinem Fall die Unwissenheit oder wirtschaftliche Notlage von Arbeitskräften aus Usbekistan, Kasachstan oder Tadschikistan ausgenutzt worden. Vielmehr reisten die Männer selbstständig und legal ein – wenngleich ihr jeweiliges Schengen-Visum nicht zu einer Arbeitsaufnahme berechtigte.
Anwalt sieht keinen Beleg für Ausbeutung von Arbeitskräften
Ja, sein Mandant habe als Geschäftsmann Fehler gemacht und diese auch offen eingeräumt, erklärt Saleh Ihwas für den Hauptangeklagten. Er führt aus, dass die Beweisaufnahme keine Belege für das Ausbeuten der auf deutschen Baustellen eingesetzten Arbeitskräfte offenbart habe. Es sei von einem minderschweren Fall ausgehen. Mit Blick auf eine „gute Sozialprognose“ und elf Monate U-Haft plädiert der Verteidiger für eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren plus Geldstrafe von 360 Tagessätzen. Hilfsweise beantragt er, den Haftbefehl aufzuheben, sodass der 39-Jährige mit der Familie die Zukunft regeln und seine Gefängnisstrafe im offenen Vollzug antreten könne.
Die Rechtsbeistände der aus Algerien stammenden Brüder, die in der Türkei gefälschte ID-Karten besorgt haben, tragen vor, dass die beiden keine Ahnung hatten, für wen oder was genau die Papiere genutzt wurden. Außerdem gibt Anwalt Ümit Kaya zu bedenken, dass sein Mandant seit Jahren legal in Deutschland lebt, aber nicht arbeiten darf – was die Versuchung erhöhe, auf unseriöse Weise Geld zu verdienen. Er schlägt eine Strafe nicht über zweieinhalb Jahre vor.
Rechtsbeistand spricht von „verpflichtendem Ehrenkodex“
Auf den Umstand, dass sein Mandant in das Geschäft mit dem Besorgen gefälschter Papiere erst eingestiegen ist, als der Bruder eine alte Haftstrafe absitzen musste, geht Anwalt Alexander Fleck ein und spricht von einem „verpflichtenden Ehrenkodex“ innerhalb der Familie. Er empfiehlt eine Strafe nicht über zwei Jahren – andernfalls sollten weitere Beweise erhoben werden.
Als einzige der Angeklagten ist jene Betriebswirtin, die frei schaffend für die Lohnbuchhaltung zuständig war, nicht vorbestraft. Ihr Verteidigerteam Edgar Gärtner und Isabell Herrmann stellt in den Mittelpunkt, dass die 53-Jährige gegenüber ihrem Chef „in einer emotionalen Gefühlslage gefangen war“, keinerlei Entscheidungsbefugnis hatte und wie die Staatsanwältin einräumte, „keine besondere kriminelle Energie“ entwickelt hat. Auch angesichts eines davor „unauffälligen, ja eindrucksvollen Lebenslaufes“ wird eine bewährungsfähige Strafe gefordert. Am Donnerstag geht der Prozess weiter.
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