Schwetzingen. Weihua Wang will etwas bewegen. Das weiß sie schon lange. Nicht nur zuschauen, sondern machen. Gestalten. Schon während ihres BWL-Studiums an der Uni Mannheim engagierte sich die heute 27-Jährige als Jugenddelegierte für Deutschland im Europarat – und ahnte da vermutlich noch nicht, dass sie den Grundstein für ihr heutiges Herzensprojekt legte: das Social Start-up myBuddy – eine Online-Plattform, die die Integration von Zugewanderten in Deutschland voranbringen will.
„Wir sollten damals als Jugenddelegierte ein Projekt in unserer Region realisieren“, erinnert sich Wang. Damals – das war 2018. „Das Flüchtlingsthema war zu der Zeit in Deutschland sehr präsent, und es gab viele, kleine Initiativen, die sich für die Geflüchteten engagiert haben“, sagt sie. „Jedes Engagement finde ich super. Aber was mir neben den Unterstützungsaktionen gefehlt hat waren Programme, die niederschwellig den sozialen Anschluss fördern und skalierbar sind, um viele Menschen zu erreichen. Das ist aus meiner Sicht der zentrale Schlüssel für eine gelungene Integration.“
Weihua Wang weiß, wovon sie spricht. Als sie acht Jahre alt war, kam sie mit ihrer Familie aus China nach Deutschland. Ihr Vater hatte hier ein Stipendium für ein Medizin-Studium bekommen. „Die Sprache habe ich als Kind relativ schnell gelernt. Aber wie eine Kultur und eine Gesellschaft ticken, nach welchen unausgesprochenen Regeln sich die Menschen verhalten, ist viel schwerer zu verstehen. Das ist die eigentliche Barriere.“
So kam Wang auf die Idee für my Buddy: eine digitale Plattform, um Zugewanderte und Einheimische zusammenzubringen. „Vielfalt ist unsere Stärke“ ist das Motto. Dazu können sich Interessierte zunächst auf der Internetseite melden. Ein Algorithmus matcht dann zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils eine zugewanderte Person mit einem einheimischen „Buddy“ aus ihrem Umkreis.
Die beiden können dann miteinander Kontakt aufnehmen – und selbst entscheiden, wie sie ihre Freundschaft gestalten wollen. Neben der räumlichen Nähe berücksichtigt das Programm bei seinem Matching auch gemeinsame Interessen. Die Teilnahme ist kostenlos und für alle offen, altersmäßig liegt die Zielgruppe laut Wang zwischen 18 und 38.
„Integration ist eine Mammutaufgabe für unsere Gesellschaft“, sagt die Gründerin. Deutschland werde kulturell immer vielfältiger – und das sei auch gut so. Schließlich sei die deutsche Wirtschaft durch den demografischen Wandel auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. „Diese kulturelle Vielfalt kann eine absolute Stärke für unser Land sein, wenn die Integration gelingt. Wenn nicht, führt es zu großen Konflikten.“ Für eine gelungene Integration wiederum brauche es „ganz viel persönlichen Austausch“ – den myBuddy fördern soll.
Eine erste Matching-Runde zwischen Zugewanderten und Einheimischen stellte Wang 2018 für ihr Projekt als Jugenddelegierte auf die Beine – unterstützt unter anderem von Stefan Dallinger, Landrat im Rhein-Neckar-Kreis, der die Schirmherrschaft übernahm, und von den Städten Mannheim und Schwetzingen. Drei Monate lang baute sie neben dem Studium eine erste Version der Plattform auf, ein IT-Experte half ihr dabei. Dann lag myBuddy erst einmal auf Eis: Wang machte ihren Master und arbeitete zwei Jahre bei einer Unternehmensberatung.
Doch ihr Projekt ließ sie nicht los und „schlummerte“ in ihr weiter – bis schließlich ein Impuls von außen kam. „Sozialarbeiter von der Caritas Heidelberg stießen im Internet auf myBuddy und schrieben mich an, weil sie die Idee so toll fanden. So kam der Stein wieder ins Rollen“, sagt Wang. Zunächst setzte sich die 27-Jährige also an den Wochenenden wieder an das Projekt, unter der Woche arbeitete sie weiter in der Unternehmensberatung. Doch je intensiver sie sich mit my Buddy beschäftigte, desto klarer wurde ihr: Das ist kein Wochenendprojekt. Also gab sie zum Jahreswechsel 2021 ihren Job auf – und widmet sich seither ganz der Integrationsplattform, in Vollzeit und ehrenamtlich.
15 weitere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer hat sie inzwischen gefunden. Sie kümmern sich darum, die Plattform über soziale Medien bekannter zu machen, Sponsoren zu finden oder den Datenschutz sichern. Klar sei aber: Um myBuddy dauerhaft und vor allem bundesweit zu etablieren, brauche es eine Finanzierung. Ende Mai will Wang deshalb eine Crowdfunding-Kampagne starten, außerdem kümmert sie sich um Fördergelder. „Im Prinzip brauchen wir eine Finanzierungsperspektive für die nächsten drei bis fünf Jahre, damit wir stabil planen können.“
Gleichzeitig tüftelt Wang an einem wirtschaftlichen Standbein für myBuddy. So soll in diesem Jahr ein Adventskalender auf den Markt kommen, gefüllt mit süßen Spezialitäten aus verschiedenen Ländern. „Heute war ich dafür mit meiner Praktikantin Lejla in vielen Läden unterwegs. Wir haben uns durch Süßigkeiten aus verschiedensten Nationen durchprobiert und vermutlich 10 Kilo zugenommen“, sagt sie lachend. Auch mit Verpackungslieferanten laufen Gespräche.
Potenziell kann sich Wang weitere Einnahmequellen vorstellen, zum Beispiel Dienstleistungen im Bereich Arbeitsmarktintegration. „Für mich ist aber ganz wichtig, dass myBuddy kein kommerzielles Ziel verfolgt, sondern die Förderung von mehr Miteinander in unserer Gesellschaft die Maxime unseres Handelns ist.“ Klar sei, dass eventuelle Gewinne nicht ausgeschüttet werden, sondern wieder in die Plattform fließen sollen: myBuddy ist als gemeinnütziges Unternehmen eingetragen.
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