Pfälzer Traditionswinzer

Spitzenweingut Bürklin-Wolf aus Wachenheim bereitet Nachfolge vor

In den letzten 35 Jahren hat Bettina Bürklin-von Guradze den renommierten Namen des Wachenheimer Weinguts ausgebaut. Jetzt bereitet sie ihre Nachfolge vor.

Von 
Dieter Keller
Lesedauer: 
500.000 bis 550.000 Flaschen Wein produziert das Weingut Bürklin-Wolf jährlich. © Sandra Fehr, Heroes of Riesling

Wachenheim. „Das Kirchenstück ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde“, schwärmt Bettina Bürklin-von Guradze von ihrem Spitzen-Weinberg. Klein, aber fein - diese Beschreibung ist noch untertrieben für die Toplage des Wachenheimer Weinguts Dr. Bürklin-Wolf im benachbarten Forst. Kostet doch eine einzige Flasche 300 Euro, und trotz dieses Spitzenpreises könnte sie deutlich mehr als die 1.200 Flaschen verkaufen, die derzeit vom Jahrgang 2024 in Subskription angeboten werden. Wer zu den Glücklichen zählt, dessen Wünsche erfüllt werden, muss bis zum nächsten Jahr warten - erst im April 2026 wird er ausgeliefert.

Schon 1828 wurde das Kirchenstück in der Königlich-Bayrischen Lagenklassifikation mit der höchsten Punktzahl bewertet. „Kein anderer Boden erbringt derart komplexe, elegante Rieslinge“, steht in der Beschreibung. Die rund vier Hektar große Toplage teilen sich gut ein halbes Dutzend Weingüter. Bürklin-Wolf gehören 0,6 Hektar - nicht einmal ein Fußballfeld. „Sowohl der Boden als auch das Mikroklima bieten die Möglichkeit, absolute Spitzenweine zu erzeugen“, so die Winzerin.

Jährlicher Umsatz des Weinguts Dr. Bürklin-Wolf liegt bei 4 bis 4,5 Millionen Euro

Als eines der wenigen Spitzenweingüter in der Pfalz, die immer noch im Besitz der Gründerfamilie sind, bewirtschaftet sie immerhin 85 Hektar und produziert im Jahr 500.000 bis 550.000 Flaschen. Das bringt einen jährlichen Umsatz von 4 bis 4,5 Millionen Euro. Mit der Ertragslage ist sie zufrieden. Die Ernte 2024 war sehr gut. Sie hatte großes Glück, dass sie sowohl von Frost als auch von Hagel verschont blieb, im Gegensatz etwa zu Mosel und Nahe.

Bettina Bürklin-von Guradze übernahm mit 30 die Leitung des Familienunternehmens. Jetzt will sie an die nächste Generation übergeben. © BUERO MEDIENAGENTEN

Die Wurzeln des Weinguts reichen bis ins Jahr 1597 zurück. Der Namensgeber blickt von einem großen Ölgemälde in der Vinothek auf die Besucher herab: Dr. Albert Bürklin, Vizepräsident des Deutschen Reichstags und Generalintendant des Hoftheaters in Karlsruhe, heiratete 1875 die Wachenheimer Weinguterbin Luise Wolf. Im Ruhestand verschrieb er sich dem Qualitätsweinbau. Das Ergebnis waren mit die teuersten Weißweine der Welt, so Bürklin-von Guradze. Ihr ist es gelungen, diesen Ruf ins 21. Jahrhundert zu führen.

Weingut Dr. Bürklin-Wolf verabschiedet sich von der Massenproduktion

Da die Ehe kinderlos blieb, erbte das Weingut Albert Bürklins Großneffe, ihr Vater. Als sie 1990 nach Lehrjahren und einem Studium der Weinwirtschaft in Geisenheim das Erbe antrat, setzte das Weingut noch wie die ganze Branche auf Massenproduktion: Auf 120 Hektar entstanden 1,2 Millionen Liter Wein pro Jahr. Zudem gab es viele verschiedene Rebsorten. Bürklin-von Guradze war 30, als sie einstieg - zusammen mit ihrem damaligen Ehemann, einem Industriemanager, der diese Mengenproduktion infrage stellte. Sie hätten schnell erkannt, dass sich das Weingut so nicht wirtschaftlich führen lasse. „Das war ein Segen“, sagt sie heute. „Wir sind unseren eigenen Weg gegangen.“

Weingut Dr. Bürklin-Wolf: Dem Riesling verschrieben

  • Das Weingut Dr. Bürklin-Wolf produziert fast ausschließlich trockenen Riesling auf besten Lagen in Wachenheim, Forst, Deidesheim und Ruppertsberg.
  • Etwa drei Viertel der jährlich etwa 500.000 Flaschen werden im Inland verkauft, je zu einem Drittel im Direktverkauf ab Weingut, an gehobene Restaurants sowie an Großhändler. Exportiert wird in fast 35 Länder mit Schwerpunkt Europa . Die USA waren ein guter Markt, doch ist ungewiss, wie es dort weitergeht.
  • Eine ganz besondere Reserve schlummert in den Kellern: Von jedem Jahrgang und jeder Lage landen dort ein paar hundert Flaschen, und das für viele Jahre . Guten Kunden werden immer mal wieder einige Raritäten angeboten, und bei Verkostungen zeigt sich, wie jung und frisch sie noch schmecken.

Und der hieß: Qualität statt Masse. Die Fläche wurde um ein Drittel verkleinert, die Menge um zwei Drittel. Sie konzentrierte sich ganz auf Weißwein, allen voran Riesling. Zudem übernahm sie die Einteilung der Qualitätsstufen von 1828. Nach der Jahrtausendwende folgte der zweite Schritt: die biologisch-dynamische Bewirtschaftung. Auf die Biodynamie kam sie durch einen Zufall: Bei Freunden in New York stieß sie auf ein Buch von Nicolas Joly, einem anthroposophischen Winzer von der Loire. Auf Mondphasen beim Anbau zu achten und Hornmist einzusetzen, der in Kuhhörnern erzeugt wird, sowie Tees als Informationsträger für die Pflanzen waren für sie eine große Umstellung. Jetzt seien sie völlig durchgeknallt, hätten die Kollegen gesagt, erinnert sich Bürklin-von Guradze amüsiert.

80 Saisonarbeitskräfte liefern in Wachenheim „eine perfekte Arbeit“

Doch der Erfolg gab ihr recht: Nach einigen Versuchsjahren stellte sie 2005 alle Weinberge auf Biodynamie um. Die finde erst einmal im Weinberg statt. „Das erfordert präzise Arbeit: Die Biodynamie verzeiht vieles, aber kein Zuspätkommen.“ Dabei müssen die Mitarbeiter mitziehen. Zu 28 Angestellten sowie Auszubildenden kommen 80 Saisonarbeitskräfte aus Polen. 55 von ihnen bewältigen die Weinlese, die übrigen besorgen übers Jahr die Laubarbeiten in den Weinbergen. Die Spitzenqualitäten Grand Cru und Premier Cru, etwa ein Drittel der Ernte, werden ausschließlich mit der Hand gelesen, die Village- und Gutsweine überwiegend mit dem Vollernter.

Bürklin-von Guradze ist froh, dass die Arbeitskräfte aus Polen immer noch verlässlich kommen, manche schon in der dritten oder vierten Generation. „Die liefern eine perfekte Arbeit und sind belastungsfähig.“ Das ist auch nötig. Denn der Klimawandel hat Folgen: Die Erntezeit hat sich verschoben. Wo bis weit in die 90er Jahre die Lese von Oktober bis in den November dauerte, geht es heute oft schon Ende August los bis Ende September. Dann kann es sehr heiß sein.

Die Wurzeln des Wachenheimer Weinguts Bürklin-Wolf reichen bis ins Jahr 1597 zurück. © BUERO MEDIENAGENTEN

Hat der Riesling trotz Klimawandels eine Zukunft? Daran lässt die Winzerin keinen Zweifel. Schon, weil die Weinstöcke durch die Biodynamie sehr tiefe Wurzeln entwickeln und dadurch ans Grundwasser kommen. „In trockenen Jahren, wenn die Wiesen längst braun sind, stehen die Reben immer noch dunkelgrün im Weinberg“, berichtet sie. Gerade die alten Anlagen wurzeln besonders tief. Daher ist künstliche Bewässerung kein Thema, mit Ausnahme von neu angelegten Weinbergen. Mit Piwis hat Bürklin-von Guradze nichts am Hut, den neuen pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, die gegen Mehltau resistent sind und weniger Pflanzenschutz brauchen. „Für uns gibt es keinerlei Anzeichen, dass der Riesling den Herausforderungen des Klimawandels nicht gewachsen ist.“

„Einer muss die volle Verantwortung haben“

Sie experimentiert lieber, wie neu angelegte Weinberge eine bessere Basis bekommen, wenn als erstes Pappeln gepflanzt und nach fünf Jahren gefällt und in den Boden eingearbeitet werden, um den Boden anzureichern. Dadurch dauert es zwar länger, bis neue Reben gepflanzt werden können. Aber dies soll nachhaltiger sein. Die Winzerin denkt sehr langfristig: „Alles, was wir heute tun, geschieht für die nächsten Generationen. Wir sind ein Familienunternehmen, und das wollen wir auch in den nächsten hundert Jahren noch sein“, sagt sie voll Überzeugung.

Mehr zum Thema

Brauereien

Nach Übernahme: Was sich bei der Heidelberger Brauerei getan hat

Veröffentlicht
Von
Rahel Adel
Mehr erfahren

Da liegt die Frage nach ihrer Nachfolge nahe. Die plant sie derzeit intensiv, schon weil sie in diesem Jahr 65 wird. Eigentlich denkt sie noch nicht an Ruhestand. Aber schon die Mitarbeiter fragen nach Kontinuität. Noch steht nicht fest, ob eines ihrer vier Kinder das Weingut übernimmt. Klar ist nur: Wenn schon, dann nur eines - eine Aufteilung auf mehrere gebe das Unternehmen nicht her. „Einer muss die volle Verantwortung haben.“ Die fachliche Qualifikation wäre wohl da.

Ist Familienqualifikation Last oder Lust? „Man kann es sich nicht heraussuchen“, weiß Bürklin-von Guradze. „Ich habe die Verantwortung schon mit der Muttermilch eingesogen.“ Künftig wäre sie gerne der gute Geist im Hintergrund. Ihre Mutter ist ihr da ein Vorbild, die nach dem Tod ihres Vaters ein gutes Jahrzehnt das Weingut fortführte, bis sie selbst einstieg. „Ab dem Tag hat sie sich nicht mehr eingemischt.“ So stelle sie sich das auch vor. „Ich würde gerne weiter mitarbeiten, wenn meine Erfahrung noch gefragt ist.“ Ihre Mutter starb erst vor wenigen Jahren mit 101.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen