Nachhaltigkeit

Verpackungssteuer: Kommt die Abgabe auch in Mannheim?

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Tübinger Modell ist die Debatte um eine Abgabe auf Einweg-Kaffeebecher und Co. in der Region neu entfacht.

Von 
Tatjana Junker
Lesedauer: 
Benutzte Einweg-Kaffeebecher liegen in einem Mülleimer. In mehreren Städten könnte auf solche Produkte bald eine neue Steuer anfallen. © Daniel Karmann/dpa

Mannheim. Seitdem das Bundesverfassungsgericht die Tübinger Verpackungssteuer abgesegnet hat, nimmt die Debatte auch in anderen Städten Fahrt auf. Was planen Kommunen in der Region, was sagen Kritiker und Befürworter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Um was für eine Abgabe geht es?

Die Stadt Tübingen erhebt seit Anfang 2022 eine Steuer auf Einwegverpackungen für To-Go-Lebensmittel. Für einen Kaffeebecher oder Einweggeschirr wie Pommesschalen sind 50 Cent (netto) fällig, für Einwegbesteck 20 Cent. Zahlen müssen das Betriebe, die solche Verpackungen an ihre Kundschaft ausgeben, also Bäckereien oder Fast-Food-Ketten. Das Geld fließt in den städtischen Haushalt. Nach Angaben der Stadtverwaltung wird es verwendet, um Müll im öffentlichen Raum zu beseitigen und andere Umweltschutzmaßnahmen zu finanzieren. Die Betreiberin eines Schnellrestaurants hatte Verfassungsbeschwerde gegen die Steuer eingereicht. Die Karlsruher Richter wiesen diese mit einem am 22. Januar veröffentlichten Beschluss aber ab.

Was planen Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen?

Heidelberg: Hier soll die Verpackungssteuer noch in diesem Jahr kommen. Die Vorbereitungen dafür laufen schon länger, durch den Karlsruher Beschluss sieht sich die Verwaltung in ihrem Vorgehen bestärkt. Aktuell werde ein Satzungsbeschluss vorbereitet und soll „den gemeinderätlichen Gremien in den kommenden Monaten vorgelegt werden“, so die Stadt auf Anfrage.

Mannheim: Die Stadt Mannheim beobachtet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach eigenen Worten „mit großem Interesse“ und steht dem Thema „grundsätzlich offen gegenüber“. „Wir werden das Urteil genau analysieren“, heißt es in einem Statement. Geprüft werde auch eine „mögliche Kollision mit (künftigem) EU- oder Bundesrecht“. So sei z.B. auf Bundesebene noch nicht abschließend geklärt, wie die EU-Plastiksteuer umgelegt werden soll.

Erst im Dezember war ein Antrag auf Einführung einer Verpackungssteuer im Gemeinderat knapp gescheitert. Während sich Grüne, SPD und LTK dafür aussprachen, gab es von der CDU zwar „große Sympathie“, eine Zustimmung lehnte sie allerdings mit Verweis auf offene Rechtsfragen ab. Auch Oberbürgermeister Christian Specht zeigte sich damals skeptisch. Grüne und SPD sehen eventuelle rechtliche Unklarheiten mit dem Karlsruher Beschluss allerdings ausgeräumt und erwarten nun von der Stadtverwaltung, die nötigen Schritte zur Einführung einer Verpackungssteuer einzuleiten.

Mehr zum Thema

Interview

Peter Görtz: Verpackungssteuer bringt mehr Aufwand und höhere Kosten

Veröffentlicht
Von
Bettina Eschbacher
Mehr erfahren

Pro und Kontra Pro & Contra: Ist eine Verpackungssteuer sinnvoll?

Die Tübinger Steuer auf To-Go-Einweg ist laut Bundesverfassungsgericht rechtens. Städte wie Mannheim überlegen nun, ob sie nachziehen. Ist das eine gute Idee?

Veröffentlicht
Von
Mehr erfahren

Ludwigshafen : Die Stadt schaut sich das Thema Verpackungssteuer derzeit „im Detail“ an. Auf Initiative von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck finde eine Abstimmung mit den zuständigen Dezernenten statt, um die Optionen der Stadt zu prüfen, heißt es auf Anfrage. Wie lange dies dauere, sei nicht klar. In der Stellungnahme wird darauf verwiesen, dass auch nach dem Karlsruher Beschluss, der nur die Rechtmäßigkeit einer Verpackungssteuer bestätige, noch eine umfangreiche Prüfung nötig sei. Dabei gehe es u.a. um genaue inhaltliche Formulierungen einer entsprechenden Verordnung, aber auch um das Verhältnis zu anderen Instrumenten wie beispielsweise dem sogenannten Einwegkunststofffonds.

Wie reagiert die Wirtschaft in Mannheim und der Region?

Die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar lehnt eine kommunale Verpackungssteuer ab. Sie bedeute „einen unverhältnismäßig hohen Aufwand“ für Unternehmen, „vor allem für Filialbetriebe“, so Kammerpräsident Manfred Schnabel. Die Kosten für die Bürokratie müssten ihm zufolge in den meisten Fällen an die Kunden weitergegeben werden. „Die Steuer wirkt so negativ auf die Nachfrage in Gastronomie und Lebensmittel-Einzelhandel.“ Schnabel warnt zudem vor einer Doppelbelastung und verweist auf das neue Einwegkunststofffondsgesetz. Es sieht vor, dass Hersteller z.B. von Kunststoffbechern oder -geschirr eine Abgabe zahlen müssen. Mit dem Geld sollen Kommunen bei den Kosten für die Beseitigung des Mülls entlastet werden. Der IHK-Präsident argumentiert, damit gebe es bereits ein Bundesgesetz, um Verpackungsmüll zu vermeiden.

Der Handelsverband Nordbaden, Dehoga Mannheim und die Werbegemeinschaft Mannheim City warnen in einer Erklärung ebenfalls vor einer Verpackungssteuer. Vor allem fürchten sie einen regulatorischen Flickenteppich, wenn in verschiedenen Städten unterschiedliche Regeln gelten. Handelsverbands-Geschäftsführer Swen Rubel spricht von einem „Bürokratiemonster“, das dem Handel „an jedem Standort andere Berichtspflichten und einen Riesenaufwand für die Pflege der Kassensysteme und die Abführung der Steuern“ auferlege. Dehoga-Geschäftsführerin Melanie von Görtz sagt, zusätzliche städtische Einnahmen auf Kosten der Gastronomie seien angesichts der 2024 um sechs Prozent gesunkenen Umsätze und erheblich gestiegener Kosten „ungerecht und kontraproduktiv“.

Es gibt aber auch andere Stimmen aus der Wirtschaft: Das Mannheimer Greentech-Start-up Frenvi verspricht sich von einer Verpackungssteuer Rückenwind für sein Geschäft. Das Unternehmen produziert essbares Besteck, kompostierbares Geschirr und Mehrwegbecher. „Unser essbares Besteck und unser essbarer Becher fallen in Tübingen nicht unter die Verpackungssteuer“, sagt Frenvi-COO Stefan Beyerle. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geht das Mannheimer Unternehmen aktiv auf Städte zu. „Wir wissen, dass viele derzeit über eine Verpackungssteuer nachdenken und haben deshalb gerade 100 Kommunen angeschrieben, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, sagt Beyerle.

Was sagen Befürworter einer Verpackungssteuer?

Bei den Mannheimer Grünen, die nach eigenen Angaben schon seit 2019 eine solche Abgabe fordern, verspricht man sich vor allem einen Rückgang der Einwegverpackungen - und damit einen Beitrag zum Umweltschutz. Grünen-Fraktionsvorsitzende Gabriele Baier verweist auf schädliche Chemikalien, mit denen der Müll in der Regel beschichtet sei, und die sich im Boden und im Wasser anreicherten. Die Einnahmen aus der Verpackungssteuer - laut Baier könnten sie in Mannheim geschätzt etwa zwei Millionen Euro im Jahr betragen - sollen nach dem Willen der Grünen dem unterfinanzierten Stadtraumservice und für den Umweltschutz zur Verfügung gestellt werden.

Grünen-Stadträtin Alice van Scoter ergänzt, man nehme auch die Bedenken der Wirtschaft sehr ernst. Bei der Umsetzung müsse auf pragmatische Lösungen gesetzt und der Bürokratieaufwand möglichst gering gehalten werden. „In erster Linie geht es um ein Umdenken der Verbraucherinnen und Verbraucher hin zu Mehrweg. Wir versprechen von der Steuer eine lenkende Wirkung“.

Wie sieht die Bilanz in Tübingen bisher aus?

Kritiker verweisen auf eine Studie an der Uni Tübingen. Sie hatte untersucht, wie sich die Müllmenge in öffentlichen Mülleimern im Tübinger Stadtgebiet im ersten Jahr nach Einführung der Abgabe entwickelt hatte. Demnach konnte dort damals keine Reduzierung gemessen werden. Der Studienautor verwies seinerzeit aber auch darauf, dass Plastikverpackungen gewichtsmäßig ohnehin nur einen sehr geringen Anteil am Müll in den öffentlichen Eimern hätten. Gleichzeitig sei das Mehrwegangebot in der Stadt im ersten Jahr der Steuer deutlich gestiegen. Tübingen hatte die Umstellung auf Mehrwegverpackungen in den letzten Jahren mit einem Förderprogramm unterstützt.

Bei der Stadt Tübingen heißt es in einer Zwischenbilanz von Mitte Januar, durch die Abgabe sei inzwischen nur noch wenig Verpackungsmüll im Stadtbild sichtbar: In und neben den Abfalleimern werde deutlich weniger gefunden. Für das Steuerjahr 2022 seien 800 000 Euro eingenommen worden.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke