Mannheim. Bis 2030 will der Mannheimer Energieversorger MVV nur noch grüne Fernwärme anbieten. Diesem Ziel ist das Unternehmen nun einen großen Schritt näher gekommen. Auf der Friesenheimer Insel in Mannheim ist ein neues Biomasseheizkraftwerk in Betrieb gegangen, das mit einer Leistung von 45 Megawatt (MW) klimafreundliche Wärme in das Fernwärmenetz der MVV einspeist.
Rechnerisch können so bereits etwa 50 bis 60 Prozent der Mannheimer Haushalte, des Gewerbes und der Industrie versorgt werden. „Es ist wieder ein Schritt von 100 Prozent Kohlewärme zu 100 Prozent grüner Wärme“, erklärt MVV-Vorstandschef Georg Müller am Freitag. Denn mit der neuen Anlage wird das mit Steinkohle betriebene Grosskraftwerk (GKM) unbedeutender für die Fernwärmeerzeugung. „Damit wandert das Wärmehirn aus dem Mannheimer Süden in den Norden auf die Friesenheimer Insel“, sagt Müller in Anspielung darauf.
Bei dem neuen Biomasseheizkraftwerk handelt es sich eigentlich um eine alte Anlage, die aber für die neuen Anforderungen modernisiert worden ist. 2003 war das Biomassekraftwerk in Betrieb gegangen, um Alt- und Restholz zu verwerten und damit Strom zu produzieren. Bei dem Prozess wird das Holz in einem Kessel verbrannt. Durch die entstehende Hitze erzeugt der Kessel Dampf, der eine Turbine antreibt. Ein daran gekoppelter Generator erzeugt die elektrische Leistung.
Nach dem Umbau läuft die Stromerzeugung weiter, sie wird nun aber durch eine Wärmeproduktion ergänzt. Damit die Wärme in das Netz eingespeist werden kann, musste ein neuer Wärmetauscher eingebaut werden. Außerdem wurde eine Kondensationsturbine ausgetauscht, die für höhere Temperaturen ausgelegt ist. Eine neu installierte umschaltbare Klappe am vorhandenen Abdampfkanal kann je nach Bedarf steuern, ob Fernwärme ins Netz gespeist werden soll oder nicht. So kann die Anlage flexibel genutzt werden. Ist der Wärmebedarf geringer, etwa in den Sommermonaten, wechselt das Kraftwerk in den höheren oder reinen Strombetrieb.
Warum das GKM zur Versorgung mit Wärme unbedeutender wird
„Das Biomasseheizkraftwerk ist sehr effizient, weil es sich im Wesentlichen um Abwärme handelt“, beschreibt Uwe Zickert, Geschäftsführer von MVV Umwelt, die Vorteile. „Wenn wir 45 Megawatt an thermischer Leistung auskoppeln, müssen wir nur drei Megawatt elektrische Leistung einsetzen“, erklärt Technikvorstand Hansjörg Roll. Bei einer Flusswärmepumpe erziele man mit einem Megawatt elektrischer nur rund drei Megawatt thermische Energie.
Wurden im Kraftwerk auf der Friesenheimer Insel bislang etwa 40 Prozent der entstehenden Abwärme über Luftkondensatoren in die Atmosphäre abgegeben, kann sie nun weitgehend für Fernwärme genutzt werden. „In den Sommermonaten brauchen wir das GKM nicht mehr. Den Bedarf können wir von hier aus decken“, so Zickert.
„Wir verwerten hier jährlich 650 000 Tonnen Abfälle, die nicht mehr recycelt werden können“, erklärt Zickert. Darunter seien 145 000 Tonnen Altholz und 135 000 Tonnen Klärschlamm. „Aus den Reststoffen erzeugen wir neue Stoffe.“ Als Beispiel nennt er Phosphor aus Klärschlamm aber auch Energie. Roll betont, dass die höhere Leistung des Kraftwerks allein durch Energieeffizienzmaßnahmen erreicht wurde: „Wir setzen keine zusätzlichen Abfälle ein.“
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Von der Planung bis zur Fertigstellung des umgebauten Kraftwerks sind 21 Monate vergangen. 21 Millionen Euro hat die MVV in den Umbau investiert. Fördermittel gab es nicht, betont Vorstandschef Müller. Mit der Inbetriebnahme des neuen Biomasseheizkraftwerks hat die MVV die zweite Stufe der Wärmewende abgeschlossen.
Begonnen hatte die Transformation 2020 mit der Anbindung der Thermischen Abfallbehandlungsanlage. Vor einem Jahr folgte die erste industrielle Flusswärmepumpe am GKM, außerdem leisten die Phosphorrecyclinganlage sowie die Besicherungs- und Spitzenlastanlagen ihren Beitrag.
In der dritten Stufe, die bis 2030 vollendet werden soll, setzt der Energieversorger auf weitere Flusswärmepumpen, die Abwärme thermischer Abfallbehandlung sowie Tiefengeothermie. Wenn das gelingt, hat die MVV innerhalb von zehn Jahren die Kohleabwärme auf grüne Wärme umgestellt, in einen Mix aus unterschiedlichen Energien. Müller verspricht sich davon eine größere Versorgungssicherheit. „Aus der alten Tante Fernwärme, die angestaubt war, haben wir eine Zukunftsoption gemacht.“ Den Anteil der Wärmenachfrage mit Fernwärme will die MVV in den nächsten Jahren von 60 auf 75 Prozent erhöhen. Dafür sollen 10 000 weitere Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen werden.
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