Heidelberg. Frau von Kretschmann, wie viel Trinkgeld geben Sie persönlich?
Caroline von Kretschmann : Ich persönlich gebe immer mindestens zehn, manchmal auch zwanzig Prozent. Das ist sicherlich zum Teil eine Art Berufskrankheit – denn ich weiß sehr genau, was Menschen in Dienstleistungsberufen täglich leisten. Mit einem großzügigen Trinkgeld möchte ich meine Anerkennung und meinen Respekt zum Ausdruck bringen. Das mache ich wirklich von Herzen gerne.
Würden Sie sagen, es gibt so etwas wie eine soziale oder gesellschaftliche Trinkgeldpflicht?
Kretschmann: Eine Pflicht im rechtlichen Sinne gibt es selbstverständlich nicht – und das ist auch gut so. Trinkgeld ist und bleibt eine freiwillige Gabe. Und dennoch, ja, es existiert eine Art unausgesprochene gesellschaftliche Erwartung: Wenn man mit einer Dienstleistung zufrieden war, empfindet man es als selbstverständlich, Dankbarkeit in Form eines Trinkgeldes auszudrücken. Es geht um Wertschätzung – für den Menschen, der die Leistung erbracht hat. Aber wichtig bleibt: Trinkgeld ist ein Zeichen von Dank, kein Muss.
Wie viel Trinkgeld gibt man denn am besten? Soll man einfach aufrunden? Gibt es irgendwelche Prozentzahlen, an denen man sich orientieren kann?
Kretschmann: Es gibt durchaus etablierte Orientierungsgrößen. In der Regel sind es fünf bis zehn Prozent – abhängig davon, ob die Leistung den Erwartungen entsprach oder sie vielleicht sogar übertroffen hat. Das gilt im Restaurant, im Café, beim Friseur – oder auch im Taxi. Gleichzeitig ist Trinkgeld immer etwas sehr Persönliches. Manche Menschen runden lediglich auf, andere geben außergewöhnlich großzügig. Letztlich hängt es davon ab, wie zufrieden man war, wie ausgeprägt die eigene Großzügigkeit ist – und nicht zuletzt, ob man es sich leisten kann. Es ist eine Mischung aus Wertschätzung, persönlichem Empfinden und den individuellen Möglichkeiten.
Caroline von Kretschmann
Caroline von Kretschmann ist die Chefin des Hotels Europäischer Hof in Heidelberg .
2013 hat sie die Geschäftsführung von ihrem Vater Ernst-Friedrich von Kretschmann übernommen.
1968 wurde sie in Heidelberg geboren. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre samt Promotion gründete sie eine Unternehmensberatung . Diese verkaufte sie 2006 und war anschließend für das Marketing des Europäischen Hofs verantwortlich. rad
Würden Sie empfehlen, Trinkgeld lieber bar oder mit Karte zu geben?
Kretschmann: Beides ist möglich. Wird das Trinkgeld per Karte gezahlt, wird es in Hotels und Restaurants über die Kasse erfasst und anschließend dem Team ausgezahlt. Dennoch beobachte ich, dass viele Gäste gerne zusätzlich oder ausschließlich bar Trinkgeld geben.
Vielleicht, weil man dann das Gefühl hat, es kommt eher beim Servicepersonal an.
Kretschmann: Ja, wahrscheinlich. Der Gast hat dann offensichtlich ein besseres Gefühl, weil er sicherer ist, dass das Geld bei der Person ankommt, bei der er sich bedanken will. In den meisten Betrieben wird selbstverständlich auch das über die Karte gezahlte Trinkgeld vollständig an die Mitarbeitenden weitergegeben – so ist es auch bei uns.
Jetzt zum Hotel: Wie viel Trinkgeld würden Sie beim Zimmerservice, Concierge-Service, Housekeeping und beim Taschenhochtragen empfehlen?
Kretschmann: Auch hier gibt es Erfahrungswerte, an denen man sich orientieren kann. Ich frage mich persönlich immer: Was hat die jeweilige Person für mich getan? Wenn ich beispielsweise eine Nacht in einem Hotel verbringe, hinterlasse ich in der Regel etwa zehn Euro für das Housekeeping-Team – aus tiefer Wertschätzung für die oftmals unsichtbare, aber so essenzielle Arbeit. Wenn jemand mein Gepäck trägt, gebe ich meist fünf Euro. Beim Zimmerservice sind es je nach Aufwand fünf bis zehn Euro. Aber – und das möchte ich betonen – ich komme aus einer Branche, in der das Bewusstsein für Dienstleistung und die Leistung hinter der Leistung sehr ausgeprägt ist. Deshalb bin ich vielleicht auch besonders großzügig.
Und wie gibt man dann das Trinkgeld möglichst elegant?
Kretschmann: Eine sehr wichtige Frage. Für mich ist entscheidend, dass der Moment des Gebens von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Ich bedanke mich meistens dazu herzlich und persönlich – mit einem freundlichen Wort, einem Lächeln. Oder ich hinterlasse eine kleine Notiz im Zimmer: „Vielen Dank für das schöne und ordentliche Zimmer.“ Oder ich kollektiviere und sage „Anbei noch ein kleines Dankeschön für die Teamkasse“. Das macht es manchen einfacher, es zu nehmen. Was mir immer ganz wichtig ist: Niemand darf sich herabgesetzt fühlen. Trinkgeld ist keine Geste von oben herab, sondern eine menschliche Geste auf Augenhöhe.
Die Preise gehen überall nach oben. Wie würden Sie damit umgehen, wenn Sie sich Trinkgeld einfach nicht leisten könnten?
Kretschmann: Ich glaube fest daran, dass Ehrlichkeit und Menschlichkeit immer weiterhelfen. Ingeborg Bachmann sagte einmal: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ Wenn ich mir kein Trinkgeld leisten könnte, würde ich es offen ansprechen – freundlich und aufrichtig: „Es war alles wunderbar, aber bei den aktuellen Preisen ist es für uns eine Ausnahme, hier zu sein – und leider ist einfach kein Trinkgeld mehr möglich.“ Ich bin überzeugt, dass viele Servicekräfte dafür großes Verständnis aufbringen würden. Es zeigt ja auch: Der Gast schätzt die Leistung, er ist sich ihrer bewusst – das zählt genauso. Und viele sind auch froh, dass die Gäste überhaupt kommen. Das sichert den Arbeitsplatz.
Die Preise steigen, zugleich hat das Trinkgeld aber nichts mit dem Unternehmen zu tun.
Kretschmann: Genau. Das ist ein zentraler Punkt: Das Trinkgeld ist eine Anerkennung für die Mitarbeitenden – nicht für das Unternehmen. Als Unternehmer oder Unternehmerin hat man weder Anspruch darauf noch direkten Einfluss darauf, wie es verteilt wird. Und das ist auch richtig so. Es steht allein den Kolleginnen und Kollegen zu. Und es ist sinnvoll, Gäste zu sensibilisieren: Trinkgeld ist mehr als ein Geldbetrag. Es ist ein Zeichen gelebter Wertschätzung – direkt an die Menschen, die tagtäglich mit Herzblut und Hingabe dafür sorgen, dass sich andere wohlfühlen. Und gerade in einer Zeit, in der vieles selbstverständlich scheint oder gar nicht mehr vorhanden ist, ist ein solches Zeichen umso wertvoller.
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