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„Anderen hinterherzurennen wäre blöd“

Start-up-Investor Klaus Weinert hofft auf einen neuen Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Denn seiner Ansicht nach bleiben viele Chancen ungenutzt

Von 
Birgitta Stauber
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Die Politik befasse sich viel zu wenig mit Künstlicher Intelligenz, moniert der Bremer Unternehmer Klaus Weinert. © Peter Steffen/dpa, S. Wallocha

Berlin. Nüchtern betrachtet ist es ziemlich gut gelaufen. BWL-Studium, Unternehmensgründung, und dann, nach knapp drei Jahrzehnten harter Arbeit, der Lohn: Klaus Weinert (kleines Bild) kann sich Privatier nennen. Im März 2023 verkaufte der Bremer Unternehmer Control IT, ein Software-Haus, das die deutsche Immobilienwirtschaft mit Produkten unterstützt. Der 60-Jährige wollte sich damals eigentlich in Griechenland zur Ruhe setzen. Mitten in der Hochphase der Corona-Pandemie kauften er und seine Frau eine Villa samt Olivenhain auf Kreta. Doch das Leben als Olivenbauer reichte ihm dann doch nicht.

Und so nutzt er sein Vermögen aus dem Unternehmensverkauf, um Gründer zu unterstützen. Längst ist er wieder mitten drin im Start-up-Betrieb, pendelt zwischen Kreta und Bremen. Sein Fokus liegt dabei auf Künstlicher Intelligenz. Ein Bereich, mit dem sich die Politik, wie er sagt, viel zu wenig beschäftige – mit fatalen Folgen. Und das regt ihn richtig auf.

Noch bevor er vom kleinen Unternehmen berichtet, in das er gerade sein Geld und seine Hoffnung investiert, bricht die Fassungslosigkeit aus ihm heraus – über die, wie er sagt, Unfähigkeit der Steuerbehörden, fällige Gelder einzutreiben. Bestes Beispiel: sein eigener Unternehmensverkauf. „Der Käufer war eine niederländische Firma“, erklärt Weinert. Ein internationaler Deal. Dabei seien siebenstellige Summen an Steuergeldern fällig geworden – von den Verkäufern. Bis heute, also knapp zwei Jahre danach, sei aber noch kein Euro geflossen. Nicht, weil niemand zahlen wolle. „Es gibt schlicht keinen Bescheid“, sagt Weinert. „Und auch keine Aufforderung für eine Vorauszahlung.“

Genau das hatte sein Steuerberater vorausgesehen. Das könne Jahre dauern, bis die Behörden sich durch den Vertrag gearbeitet haben, zitiert ihn Weinert. „Es ist natürlich auch ein Brocken. 800 Seiten, dazu auf Englisch. Da wird sich sicher der ein oder andere Beamte in der Behörde denken, ,ach du Scheiße’.“

Ein Avatar könnte teure Nachhilfe für Schüler ersetzen

Und schon ist der 60-Jährige dabei, sich in Rage zu reden. Wie kann es sein, dass sich Menschen in Behörden Seite für Seite durch so einen Vertrag quälen müssen? Statt den Inhalt durch die Künstliche Intelligenz zu jagen, die automatisch analysiert und dann ziemlich schnell auf Deutsch ausspuckt, welche Vorauszahlung sofort fällig wird? Wie kann es sein, dass sich die Ampel-Regierung über das Haushaltsloch zerlegte? Und über die Frage, ob die Schuldenbremse angetastet wird oder nicht – und sich gleichzeitig siebenstellige Steuereinnahmen entgehen lässt, weil niemand der politischen Protagonisten begreift, welche Möglichkeiten es gibt? Die Ampel habe sich verhakt und dabei das ganz große Thema ausgelassen: die Künstliche Intelligenz.

Für ihn liegen dort die entscheidenden Chancen. Und zwar ausdrücklich auch für die Politik. Er sei heilfroh, dass die Ampel kaputt ist, sagt Weinert. Doch nun komme es für die neue Regierung darauf an, diese Chancen der Zeit zu nutzen. Und zwar nicht nur, um Steuergeld einzutreiben. Künstliche Intelligenz könne schließlich einen Haufen Probleme lösen, Schulen massiv unterstützen und teure Nachhilfe ersetzen – etwa durch einen Avatar, der sich auf das ganz persönliche Leistungsniveau einstelle. „Alle sagen: Klar, wir brauchen mehr Lehrer. Tatsächlich brauchen wir Lehrer, die Bildungsmanager sind – unterstützt von Künstlicher Intelligenz.“

Bei seiner Vision ist sich der Start-up-Investor durchaus der Gefahren bewusst. Er verstehe die Bedenken und die Angst davor, dass künstliche Nachhilfelehrer etwa falsche Ideologien verbreiten. „Diese Risikofixierung müssen wir aber eindämmen“, sagt er. Nur, wenn man offen sei und die Chancen sehe, komme man zu guten Lösungen. Es gebe eben viele gute Ideen, und „dafür braucht man Unternehmen, die sie in die Tat umsetzen.“

Zum Beispiel Alphaprompt, eine kleine Firma mit Sitz in Bayern. Mit Künstlicher Intelligenz sorgt ein internationales Team dafür, dass sämtliche Dokumente, die im Immobilienwesen anfallen, erschlossen, sortiert und abgelegt werden. „Bei großen Eigentümern geht es um Millionen von Dokumenten“, sagt Weinert. Die Frage, wann ein Aufzug das letzte Mal gewartet worden ist, könne eine aufwendige bürokratische Recherche auslösen. Mit einem guten Prompt – also einer Anweisung an die KI – könne die Frage nicht nur sofort beantwortet, sondern auch gleich ein Wartungsauftrag ausgelöst werden.

Appell an die Politik, um bessere Bedingungen für KI zu schaffen

Viel zu vielen Start-ups aber fehle das Geld, um sich zu entwickeln. „Sie haben gute Ideen, aber sie können nicht einfach zur Bank gehen. Sie haben ja keine Sicherheiten.“ Und klassische Fonds müssten die Compliance berücksichtigen – also die Einhaltung von bestimmten Richtlinien und Standards – und dafür teure Anwälte einschalten. „Das lohnt sich erst ab einer bestimmten Investitionshöhe.“ Einzige Hoffnung für die Gründer: „Das sind Leute wie ich, Privatiere, die bereit sind, ins volle Risiko zu gehen.“

Der Staat könne beim Aufbau der Start-ups helfen, etwa durch Bürgschaften. Er müsste sich nur breit genug dabei aufstellen, das zeigten die Erfahrungen der Private Equity Fonds, die sich an nicht börsennotierten Unternehmen beteiligen. Von 100 Unternehmen seien 30 so erfolgreich, dass sie den Misserfolg der übrigen 70 Unternehmen wettmachten. Weinert wünscht sich von der künftigen Bundesregierung, dass sie offen ist für das Potenzial, das viele kleine neue Unternehmen böten. Und Bedingungen schaffe für die Möglichkeiten, die KI etwa in der Bildung, der Medizin oder beim Klimaschutz habe. „Es wäre ja blöd, anderen Ländern wieder wie bei der Digitalisierung oder Elektromobilität hinterherzurennen, statt die eigenen kleinen Firmen zu gießen und dann wachsen zu lassen.“

Gießen und wachsen lassen: Das Motto setzt er auch auf seinem Olivenhain in Griechenland um. „Ich habe gelernt, wie man düngt, die Bäume richtig schneidet. Denn wenn ich schon Olivenbäume habe, will ich auch Olivenöl produzieren.“ 200 Kilo Öl waren es in diesem Jahr, das reicht für Familie und Freunde. Nun hat er auch noch ein Nachbargrundstück dazugekauft, mit Orangen, Zitronen, Granatäpfeln und Wein. Nächstes Jahr will er auch diese Früchte ernten. Und irgendwann auch die Früchte seiner Investitionen in Start-ups.

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