Berlin. Es ist gute zehn Jahre her, dass die Studienfreunde Christian Hecker und Thomas Pischke bei einem Abendessen zusammensitzen und beschließen, etwas gegen die Rentenlücke der Deutschen – also der Differenz zwischen dem Geld, das man im Alter benötigt, und dem, was man aus der gesetzlichen Rente erhält – zu unternehmen. „Spätestens beim Dessert war klar, dass es ums Geldanlegen gehen und eine App werden muss“, sagt Hecker.
Fintechs und Start-ups – beide hatten in diesen Bereichen zuvor schon Erfahrungen gesammelt. Fünf Jahre lang investierten Hecker und Pischke ihr eigenes Geld, bevor 2019 die erste Finanzierungsrunde anstand. Man suchte Investoren. Das gelang, obwohl viele Geldgeber damals auch der Meinung gewesen seien, dass die Deutschen eigentlich kein Volk von Anlegern seien, erinnert sich Hecker,
Er und Pischke kalkulierten ebenfalls vergleichsweise konservativ, nahmen an, dass die App, die beide später Trade Republic tauften, in diesem Jahr 80.000 Nutzer haben würde. Tatsächlich ist der Anbieter mit Sitz in Berlin heute die größte Plattform seiner Art in Europa. Acht Millionen Nutzer haben auf Depots und Konten von Trade Republic mehr als 100 Milliarden Euro investiert oder geparkt. Aus dem kleinen Start-up ist ein großes Unternehmen geworden – mit Wachstumsschmerzen: „Es gibt immer wieder Beschwerden, wie bei anderen Anbietern auch. Das betrifft neben der Erreichbarkeit des Kundenservices die Bankgeschäfte rund ums Girokonto wie auch das Handeln mit Wertpapieren“, sagt David Riechmann von der Verbraucherzentrale NRW.
Immer wieder hagelt es Beschwerden
Erst kürzlich, als US-Präsident Trump mit seinen Zöllen ein Börsenbeben auslöste, hagelte es Beschwerden, die App sei zeitweise gar nicht erreichbar gewesen, was sogar die Bafin-Aufseher dazu veranlasste, auch bei Trade Republic eine Stellungnahme einzufordern.
Hecker nimmt sein Team in Schutz und verweist auf einen dreistelligen Millionenbetrag, den man dieses Jahr in Service und Infrastruktur investiere. Einige Tage später, als der Republikaner in Teilen wieder zurückruderte, lief die App bei Trade Republic dann vergleichsweise reibungslos. „Da haben wir das Vielfache der Maximallast gesehen und ausgehalten, während viele andere Broker in Deutschland Probleme hatten,“ so der Trade-Republic-Gründer. Man lerne aus Fehlern und werde dann „schnell besser“, versichert er.
Das Angebot ist bei dem Neobroker deutlich gewachsen
Nicht nur die Zahl der Nutzer, sondern auch das Angebot an sich ist bei dem Neobroker in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Was mit Aktienhandeln und ETF-Sparpläne-Anlegen begann, ist heute eine Vollbank, die auch Vorteile für Kunden bietet, die Vermögen aufbauen wollen: Den Zins der Europäischen Zentralbank (EZB) gibt das Unternehmen in vollem Umfang auf Einlagen seiner Kunden weiter; wer mit der Kreditkarte des Brokers zahlt, erhält ein Prozent der ausgegebenen Summe als Cashback auf den Sparplan zurück.
Seit jeher kostenlos ist das regelmäßige Einzahlen in ETF-Sparpläne, Kauf und Verkauf von Aktien kosten jeweils einen Euro. Im Vergleich zu zuvor etablierten Brokern ist das günstig – wobei Verbraucherschützer darin nicht nur Vorteile sehen. „Die einfache Bedienung und ständige Verfügbarkeit verführen womöglich auch zu einem Zocken mit Aktien“, warnt etwa David Riechmann. Auch stelle sich die Frage, ob etwa die morgendliche Zugfahrt zur Arbeit tatsächlich der richtige Ort für durchdachte Anlageentscheidungen sei.
Firmenboss nennt gesetzliche Rente „Betrug am Volk“
Heckers neuestes Angebot aber dürfte über Generationen gedacht sein: Am Dienstag hat Trade Republic ein Kinderdepot gestartet. Sparpläne auf ETFs und Aktien seien wie gewohnt kostenlos, laufende Fondskosten ausgewählter ETFs würden monatlich gutgeschrieben und automatisch reinvestiert, bis das Kind 18 Jahre alt ist, so das Unternehmen. Langfristig können Kinder wohl von der staatlich geplanten Frühstartrente profitieren: Union und SPD hatten sich laut Koalitionsvertrag darauf geeinigt, Schulkindern zwischen 6 und 18 Jahren zehn Euro pro Monat vom Staat ins Depot gutzuschreiben. Los gehen soll der vom Staat geförderte Start in die private Altersvorsorge schon ab 2026. Die gesetzliche Rente hält Trade-Republic-Gründer Hecker hingegen für gescheitert. Es sei ein „großer Betrug am Volk“, dass die vorherige Regierung Scholz und auch die jetzige Merz-Regierung keinen großen Wurf plane, kritisiert er. Dabei sei die Frage, wie der eigene Lebensstandard im Alter zu halten sei, eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit.
Bei Trade Republic arbeitet Hecker aber nicht nur daran, die Zukunft seiner Anleger mit abzusichern. Es geht auch um das Geschäftsmodell seiner Firma, das Hecker zumindest bald in Teilen anders angehen muss als bislang. Der Neobroker verdient sein Geld derzeit noch vor allem mit der Vermittlung von Handelsaufträgen an bestimmte Handelsplattformen. Konkret leitet Trade Republic die Trades seiner Kunden an Lang & Schwarz weiter – und kassiert dafür eine Provision. Doch die EU hat dieses sogenannte „Payment for Order Flow“-Modell ab 2026 verboten, will so Kleinanleger besser schützen, weil über dieses Verfahren oft nicht klar ist, ob Kunden ihre Aktien wirklich zum besten Kurs bekommen haben. Hecker geht davon aus, dass sich der Markt neu ordnen wird. Die großen europäischen Börsen in Frankfurt am Main und Paris, die bislang wegen hoher Nebengebühren von den Brokern gemieden werden, könnten profitieren. Und Trade Republic könnte gezwungen sein, sich als Folge möglicherweise nach neuen Erlösquellen umzuschauen.
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