Traditionsunternehmen

Mannheimer Diringer & Scheidel-Gruppe bereitet sich auf Ende des Baubooms vor

Die D&S-Gruppe feiert 100. Geburtstag mit einem Jahr Verspätung und will in Familienhand bleiben. Noch profitiere man von laufenden Aufträgen - aber weist auf die phasenverschobene Konjunktur der Baubranche hin.

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In Feierlaune: Seniorchef Heinz Scheidel (sitzend) mit Karlheinz Heffner (von links), Elisabeth Heffner, Tobias Volckmann und Achim Ihrig vor der Zentrale. © Diringer & Scheidel

Mannheim. Wer wie Diringer & Scheidel als Unternehmen 101 Jahre überstanden hat, vertraut auch in unruhigen Zeiten auf die eigene Krisenfestigkeit. Aber Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekosten bereiten selbst einem gestandenen Unternehmer wie Heinz Scheidel große Sorgen. „Es ist schwierig zu sagen, was auf uns zukommt“, sagt der Seniorchef der Diringer & Scheidel-Gruppe (D&S). Er erwarte einen wirtschaftlichen Abschwung, die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen ließen sich dabei kaum abschätzen. Vorsicht ist geboten: „In den nächsten fünf Jahren werden wir mit verhaltenem Wachstum kalkulieren müssen“, so Scheidel.

Verschobene Baukonjunktur

D&S hat in den vergangenen Jahren mit seiner Bausparte vom Bau-und Immobilienboom massiv profitiert. So sehr, dass Finanzchef Tobias Volckmann 2021 als „sehr erfolgreiches Jubiläumsjahr“ bezeichnet. Auch mit dem Gewinn - der nicht verraten wird - sei man zufrieden. 100 Jahre war D&S im Vorjahr geworden, wegen der Pandemie sind die Feiern, ein Festakt und ein Mitarbeiterfest, auf das kommende Wochenende verlegt worden. 600 Millionen Umsatz hat die Gruppe im vergangenen Jahr erzielt, auch 2022 werde der Umsatz ähnlich hoch.

Zwei Standbeine: Bau und Dienstleistungen

  • Diringer & Scheidel zählt zu den großen Familienunternehmen der Baubranche. Es wird in dritter und vierter Generation geführt. Vorsitzender des Management-Boards ist Senior Heinz Scheidel.
  • Die Gruppe mit Sitz in Mannheim hat rund 3800 Mitarbeitende an 90 Standorten in Deutschland und Europa. Schwerpunkte sind die Regionen Rhein-Neckar, Rhein-Main sowie Leipzig-Dessau-Berlin.
  • Gegründet wurde Diringer & Scheidel 1921 als Bau-Unternehmung. Heute gehören mehrere Bau-Sparten zur Gruppe, etwa der Hochbau, der Rohrleitungsbau, die Kanalsanierung und sogar ein eigenes Kieswerk.
  • D&S hat zum Beispiel in Mannheim das Quartier Q6 Q7, Technoseum und Planetarium gebaut. Ein aktuelles Großprojekt ist das Goethe-Quartier in Heidelberg.
  • Zweites Standbein sind die Dienstleistungen unter anderem mit Hotels und der Pflegesparte Avendi. Diese betreibt bundesweit 21 Einrichtungen und fünf ambulante Pflegedienste. 

„Die Konjunktur der Baubranche ist phasenverschoben“, erklärt Scheidel. Noch profitiert D&S also von laufenden Aufträgen, die erst in ein bis zwei Jahren abgewickelt sind. Von den auf dem Bau explodierenden Materialkosten ist D&S noch weitgehend verschont. Die aktuellen Projekte seien abgesichert, erklärt Scheidel. Er deutet aber eine verstärkte Zurückhaltung vor allem im Bereich Projektentwicklung an. Dabei geht es um Projekte, die D&S komplett selbst abwickelt, vom Grundstückskauf über die Planung bis zur Fertigstellung. Grundstücke seien rar und teuer, dazu kommen die hohen Materialpreise und jetzt auch steigende Zinsen. „Das macht das Geschäft noch schwieriger.“

Auch den Fachkräftemangel bekommt das Unternehmen zu spüren, vor allem in der Dienstleistungssparte, dem zweiten Standbein der Gruppe. Diese stellt inzwischen mehr als die Hälfte der Beschäftigen, etwa in der personalintensiven Pflegesparte Avendi. Um neue Fachkräfte für den Betrieb der Pflegeheime zu bekommen, will D&S jetzt verstärkt auf die Suche im außereuropäischen Ausland gehen.

Trotz allem ist Scheidel zum verspäteten 100. Geburtstag in Feierlaune: „Nicht viele Firmen in der Bauwirtschaft erreichen so einen Lebenszyklus.“ Ein Grund für die Langlebigkeit sei die starke Diversifizierung der Gruppe. So könne die weiter wachsende Dienstleistungssparte Dellen beim Bau ausgleichen. Besonders stolz ist er darauf, dass die Gruppe nach wie vor in Familienhand ist. Der 75-Jährige führt sie zusammen mit seinem Neffen Karlheinz Heffner und seinen Schwiegersöhnen Tobias Volckmann und Achim Ihrig.

„Das war damals so“

Mitgesellschafterin ist seine Schwester Elisabeth Heffner. Sie arbeitete zwar schon im Alter von 15 Jahren in der Firma mit, hatte aber als Frau in den 1960-er Jahren keine Chance auf eine Führungsposition. Die übernahm Heinz Scheidel 1969 als der Stammhalter und Träger des Firmennamens. „Das war damals so“, sagt Elisabeth Heffner. Nach wie vor kommt die 82-Jährige ebenso wie ihr Bruder täglich ins Geschäft. Beider Vater, Heinrich Scheidel, war der Schwiegersohn des Firmengründers Franz-Anton Diringer.

Die große Nähe zwischen Familie und Firma sieht Heinz Scheidel als einen Teil des Erfolgs in der 100-jährigen Geschichte. „In Krisen hat die Familie immer zusammengehalten.“ In Familienhand soll D&S auch in der künftigen Generation bleiben. Die Enkel studieren, so der Seniorchef, schon mal „in die richtige Richtung“, also Betriebswirtschaft oder Bauingenieurwesen. Und nicht nur die männlichen Nachfolger, sondern auch die Enkelinnen sollen eine Chance auf Führungspositionen bekommen, wie die Führungsriege betont. Bei aller Tradition - das habe sich in den vergangenen Jahrzehnten wirklich geändert.

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