Gastronomie

Neue Mehrweg-Regel: Warum der Einweg-Müll trotzdem bleibt

Wer Speisen und Getränke zum Mitnehmen verkauft, muss seit Jahresbeginn als Option eine Mehrweg-Verpackung anbieten - zumindest in der Theorie. In der Praxis läuft die Einführung schleppend, auch in der Region

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Tatjana Junker
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Weniger Müll ist das Ziel: Speisen und Getränke zum Mitnehmen soll es auch in Mehrwegverpackungen geben. © Robert Günther/dpa

Rhein-Neckar. Weniger Müll, mehr Umweltschutz: Das ist das Ziel der neuen Mehrweg-Regelung, die seit Jahresanfang gilt. Wer Essen oder Getränke zum Mitnehmen kauft oder sich liefern lässt, soll dadurch öfter die Möglichkeit haben, zwischen einer Einwegverpackung und einer Mehrweglösung zu wählen. Ein Blick in die Praxis zeigt allerdings: Wer „to go“ konsumiert, kommt um Verpackungsmüll nach wie vor oft nicht herum.

Wie sieht die neue Regelung im Detail aus?

Betriebe, die Speisen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen oder liefern, müssen neben der Einwegverpackung seit 1.1. 2023 als Option auch eine Mehrweglösung, also wiederverwendbare Behälter, anbieten. Der Kaffee im Mehrwegbecher darf dabei nicht teurer sein als in der Pappvariante. Der Anbieter kann aber Pfand verlangen, das bei Rückgabe erstattet wird.

Für welche Betriebe gilt die Vorschrift?

Zum Beispiel für Bäckereien, Fastfoodketten, Tankstellen oder Restaurants, die Essen auch zum mitnehmen anbieten oder liefern. Eine Ausnahme gilt für kleine Betriebe mit höchstens fünf Mitarbeitenden und maximal 80 Quadratmeter Verkaufsfläche. Bei ihnen reicht es, wenn sie der Kundschaft anbieten, selbst mitgebrachte Behälter zu befüllen. Kioske, Food-Trucks oder kleine Imbisse fallen damit oft raus.

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Was ist mit großen Anbietern wie Lieferando?

Lieferando ist nicht direkt betroffen, da das Unternehmen nicht selbst Speisen und Getränke anbietet, sondern nur als Plattform zwischen Kundschaft und Restaurants vermittelt. Ob Letztere Mehrweg anbieten müssen, hängt wiederum von deren Größe ab. Wie viele Gastronomiepartner aktuell Speisen im Mehrwegbehälter liefern, kann eine Lieferando-Sprecherin nicht sagen.

Nutzerinnen und Nutzer hätten die Möglichkeit, mit dem Begriff „Mehrwegverpackung“ gezielt nach entsprechenden Angeboten auf der Seite zu suchen. Eine Stichprobe in der Region bringt magere Ergebnisse: In Mannheim zeigt die Trefferliste acht Restaurants (statt 177 wenn man ohne Mehrweg sucht), in Heidelberg sind es sechs. In Bensheim findet man bei der Mehrwegsuche nur einen Anbieter unter 40 Restaurants, in Schwetzingen keinen.

Muss es für jedes Produkt eine Mehrweg-Alternative geben?

Nein. Sie muss nur angeboten werden, wenn das Produkt andernfalls in einer Einwegverpackung aus Kunststoff verkauft wird. Zu Pizzakartons, Papiertüten oder Pappschachteln muss es also keine Alternative geben. Deshalb ist zum Beispiel der Burgerlieferdienst burgerme mit Standorten u.a. in Mannheim, Darmstadt und Würzburg nicht betroffen: Er liefert seine Produkte in Einweg-Papierverpackungen. Auf freiwilliger Basis biete man Mehrweg aber in ausgewählten Stores in Berlin und Hannover an, die übrigen Standorte sollen „zeitnah“ folgen, so CEO Jens Hochhaus.

Auch bei Fastfoodketten wie McDonalds greift die Vorschrift beim Großteil des Sortiments nicht. Pommes, Burger und Nuggets kommen dort in der Papier- oder Pappverpackung. Für all das braucht es also keine Mehrweg-Option - und es wird auch keine angeboten. Bei Getränken mussten der Fastfood-Riese und andere Anbieter dagegen umstellen: Für Getränkebecher muss es nun immer eine Mehrweg-Alternative geben, selbst wenn der Einwegbecher aus Papier ist.

Welche Mehrweg-Lösungen bieten Unternehmen an?

Das ist unterschiedlich. McDonalds hat ein eigenes Pfandbechersystem eingeführt. Wettbewerber Burger King bietet Getränke, Eis und Milchshakes seit Jahresbeginn in Mehrwegbehältern der Firma Recup an. Für einen Becher mit Deckel zahlt man zwei Euro Pfand und kann beides nicht nur in BurgerKing-Filialen zurückgeben, sondern auch bei anderen Betrieben, die Recup als Mehrwegsystem nutzen. „Mehrweg muss so komfortabel wie möglich sein. Das bedeutet vor allem, dass ich meinen Mehrwegbecher an möglichst vielen Standorten nutzen und zurückgeben kann“, so ein Burger-King-Sprecher laut Mitteilung. Deshalb habe man sich für Recup als größtes Mehrwegnetz in Deutschland entschieden.

Die Bäckerei Görtz aus Ludwigshafen setzt dagegen auf eigene Pfandbecher. „Wir sehen hier nicht die Situation, dass Recup auf der Fläche wirklich vertreten ist“, so Geschäftsführer Peter Görtz. Es sei daher nur theoretisch möglich, die Becher woanders abzugeben. Das System erzeuge außerdem hohe Nebenkosten, die wieder auf die Kundschaft umgelegt werden müssten. Auch die Mannheimer Bäckerei Grimminger hat eigene Pfandbecher angeschafft. Im Moment seien diese optisch noch neutral, in der zweiten Charge wolle man dann Becher einführen, die klar als „Grimminger“-Pfandbehälter erkennbar sind, so Geschäftsführer Michael Ruppert.

Burgerlieferant Burgerme hat sich für eine Kooperation mit Vytal entschieden. Hier wird kein Pfand fällig, die Abwicklung läuft über eine App. Kundinnen und Kunden müssen die Behälter innerhalb von 14 Tagen bei einem Vytal-Partnerbetrieb zurückgeben. Im Movies-Kino in Bad Mergentheim setzt man seit Jahren auf ein eigenes Mehrwegsystem, Getränke und Nachos gibt es nur in wiederverwendbaren Behältern. „Wir wollten den Einweg-Müll nicht mehr und haben deshalb eigene Mehrwegbehälter hergestellt“, sagt Geschäftsführer Sven Döding. Vor drei Jahren habe sich daraus ein eigenes Geschäft entwickelt: Döding gründete eine Firma, die nun selbst Mehrweglösungen für Kinos, Bäckereien und Lokale anbietet.

Wie läuft die Umsetzung der Vorschrift bisher?

Nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hapert es an vielen Stellen. So müssten die Anbieter eigentlich durch „gut sicht- und lesbare Informationen“ auf die Mehrweg-Option hinweisen. „Dieser Hinweis fehlt in vielen Fällen oder er ist klein und versteckt“, sagt Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft bei der DUH. Auch das Verkaufspersonal weise bei Testbesuchen oft nicht auf das Angebot hin. „Wir sehen kein aktives Marketing für Mehrweg - das bräuchte es aber, damit es das neue ’normal’ wird“, so Fischer. Insgesamt kritisiert die DUH, dass Anreize zur Nutzung von Mehrweg fehlten. Es werde sich nur durchsetzen, wenn es für Verbraucherinnen und Verbraucher einen Vorteil gegenüber Einweg bringe, zum Beispiel einen niedrigeren Preis. „Sonst ist Einweg immer im Vorteil, weil die Handhabung einfacher ist“, so Fischer.

Beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga glaubt man unterdessen, dass vor allem die Gäste am Zug sind: „Wenn sie das in der Breite nachfragen, wird es die Gastronomie auch stärker anbieten“, sagt Sprecher Daniel Ohl.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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