Frankfurt. Weil ihr Betrieb immer teurer wird, dünnen deutsche Banken ihr Angebot an Filialen und Bankautomaten seit Jahren kontinuierlich aus. Ausgerechnet die britische Digitalbank Revolut holt den Bankautomaten jetzt aus der Versenkung – und verspricht Kundendienst am „Point of Sale“.
Eigentlich ist Bargeld kein großes Thema für die sogenannten FinTechs, also Finanz-Start-Ups, die sich auf digitale Angebote konzentrieren. Mit nach eigenen Angaben weltweit mehr als 55 Millionen Nutzern ihrer App zählt Revolut unter ihnen zu den größten Anbietern. „Revolut erfindet den Geldautomaten neu“, verkündet das Unternehmen nun und verspricht die Modernisierung eines in die Jahre gekommenen Konzepts: Von „einem der am meisten übersehenen Teile der Finanzinfrastruktur“, spricht das Revolut-Management.
In Spanien werden die ersten 50 Geräte verteilt
Pilotmarkt ist Spanien, wo Bargeld noch immer ähnlich populär ist wie in Deutschland, wo die Revolut-Bankautomaten im kommenden Jahr expandieren sollen. In Spanien werden die ersten 50 Geräte zwischen Madrid und Barcelona verteilt, weitere 150 sollen in wichtigen Städten wie Valencia und Málaga folgen.
Ausgesucht werden laut Revolut stark frequentierte Standorte. Über eine in die App integrierte Karte können sich Nutzer zum nächstgelegenen Automaten navigieren lassen. Neukunden sollen ein Konto eröffnen und sofort eine physische Karte erhalten können. Außerdem wirbt die Online-Bank mit intuitiver Bedienung, Barrierefreiheit und künftig auch der Möglichkeit für Einzahlungen.
Habe sich die Art und Weise, wie wir Geld verwalten, in den vergangenen zehn Jahren radikal verändert, seien Geldautomaten immer noch klobige Schnittstellen, an denen Kunden mit versteckten Gebühren und eingeschränkten Funktionen abgeschreckt würden, konstatiert Revolut. Durch die Aktualisierung des Konzepts überbrücke das Unternehmen eine „physisch-digitale Lücke“. Geldautomaten sollten zu „Berührungspunkten werden, die das Vertrauen vertiefen“.
Immer mehr Menschen bezahlen mit Karte
In Deutschland verschwinden besagte physische Berührungspunkte zunehmend aus dem Bankalltag. Immer mehr Menschen bezahlen ohnehin mit Karte. Nach Angaben der Bundesbank sank die Zahl der Geldautomaten zwischen 2022 und 2024 von knapp 54 700 auf rund 50 800 vor einem Jahr. Alternativen, wie die Möglichkeit bei Tankstellen oder im Einzelhandel Geld abzuheben, sind oft mit Auflagen verbunden, etwa einem Mindesteinkaufsbetrag.
Eine Studie der Strategieberatung Oliver Wyman attestiert den Kreditinstituten in ihrem aktuellen Branchenreport dringenden Modernisierungsbedarf. Unter anderem setze den klassischen Filialbanken der Wettbewerb durch die FinTechs zu. Die rein digitale Konkurrenz erobere zunehmend Marktanteile.
Zu den wichtigsten Digitalanbietern zählen hierzulande neben Neobrokern wie Scalable Capital, Flatex oder Finanzen.net Zero vor allem Direktbanken wie ING Direkt, DKB, N26 oder die Commerzbank-Marke Comdirect. Gemeinsam haben sie eine junge, technikaffine und mobile Kundenbasis. Weil sie auf ein teures Filialgeschäft verzichten, können sie günstiger arbeiten.
Vor einem rasanten Bedeutungsverlust traditioneller Banken gegenüber Neobanken, FinTechs und bankunabhängigen Payment-Service-Providern warnt Oliver Wyman. Der Berliner Neobroker Trade Republic erweiterte sein Angebot vor einem Jahr um ein kostenloses Girokonto. Im Januar 2024 bereits hatte Trade Republic eine Visa-Debitkarte ohne Jahresgebühren eingeführt. Die Ausstellung von Geldautomaten sei nicht geplant und nicht nötig, sagt eine Trade Republic-Sprecherin nun. Auszahlungen seien ohnehin weltweit an jedem ATM-Automaten kostenlos möglich, solange mindestens 100 Euro abgehoben werden.
Bewusster Verzicht auf teures Filial- und Automatennetz
Die Direktbank DKB, mit knapp 5,9 Mio. Kunden zweitgrößte Direktbank in Deutschland, sieht absehbar ebenfalls keine Notwendigkeit für ein eigenes Filial- oder Bankautomatennetz. Kunden könnten mit ihrer Visa Debit- oder Kreditkarte weltweit an fast allen Automaten kostenlos Bargeld holen. Voraussetzung ist allerdings ein monatlicher Geldeingang von 700 Euro auf das Girokonto.
Die Zukunft
Die Zukunft des Internet-Banking liegt nach Überzeugung der Unternehmensberatung Oliver Wyman in neuen intelligenten Funktionen , wie dem Konzept des „Financial Home “.
Das bedeutet, Zahlungsfunktionen werden nahtlos integriert mit anderen Banken , Apps und Zahlungsplattformen .
Unterstützung kommt durch einen digitalen Finanzassistenten , der Nutzern hilft, mittels Haushaltsbuch und dem Festlegen von Limits das Ausgabenverhalten zu optimieren. sar
Der Verzicht auf ein teures Filial- und Automatennetz sei eine bewusste Entscheidung zugunsten niedriger Kosten, argumentiert das Management von N26. Je nach Kontomodell seien mit der N26 Mastercard in Deutschland drei bis fünf kostenlose Abhebungen pro Monat an nahezu allen Geldautomaten möglich. Danach werde eine Gebühr von zwei Euro pro Abhebung erhoben.
Für die Banken ist ein umfangreiches Geldautomatennetz teuer: Zu den Mieten für das Gerät kommt deren teils aufwändige Wartung. Auch müssen vor allem Großstädten mit steigender Kriminalität geeignete Standorte gefunden werden. Hohe Sachschäden entstehen Jahr für Jahr durch professionell organisierte Automatensprengungen. Sparkassen, Volksbanken und private Filialbanken erheben teils saftige Gebühren für Abhebungen für alle Kunden außerhalb der eigenen Markenfamilie.
Traditionsbanken noch vor der digitalen Konkurrenz
Ausgerechnet beim wichtigen Digitalisierungsthema sehen die Berater von Oliver Wyman die viel kritisierten Traditionsbanken im Vergleich mit der digitalen Konkurrenz allerdings sogar vorn: „Von den 14 untersuchten deutschen Banken führen die Sparkassen das Feld an, gefolgt von der Deutschen Bank“, schrieben die Berater bereits 2023 in ihrem „Digital Banking Index“. Erst auf dem fünften Rang folge mit N26 die erste Neobank.
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