Berlin. Nicht nur um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, sondern auch um Familien zu entlasten, soll der Strompreis politisch gesenkt werden. Darauf haben sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD in den Sondierungsgesprächen verständigt. Details sollen in den nun anstehenden Koalitionsverhandlungen besprochen werden. Doch schon die ersten konkreten Sondierungsergebnisse dürften Verbrauchern bald etwas Geld sparen. „Die geplante Senkung der Stromsteuer und die Halbierung der Übertragungsnetzentgelte würden einen Dreipersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden (kWh) um rund 145 Euro entlasten und damit die Stromrechnung um rund 10 Prozent senken“, rechnen die Experten des Preisvergleichsportals Verivox auf Anfrage dieser Redaktion vor.
Konkret setzen sich die Einsparungen so zusammen: Die Stromsteuer für private Verbraucher, die laut Sondierungspapier auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden soll, macht mit derzeit 2,05 Cent je kWh rund 7 Prozent der Stromrechnung aus. Das europäische Mindestmaß beträgt 0,1 Cent je kWh. Eine Absenkung im geplanten Umfang würde eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh um 93 Euro (brutto) entlasten. Denn neben der Stromsteuer würde auch weniger Mehrwertsteuer fällig, so Verivox.
„Strom könnte mit sieben Prozent Mehrwertsteuer abgerechnet werden“
Die Netzentgelte für Höchstspannungsleitungen liegen derzeit bei durchschnittlich 6,65 Cent/kWh und sollen den Plänen von Union und SPD zufolge halbiert werden. Diese Senkung hat laut Verivox unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedene Endkundengruppen. Für Haushalte machen die Übertragungsnetzentgelte im Bundesschnitt aber etwa 20 Prozent der Stromnetzgebühren aus. „Eine Halbierung würde eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh um rund 52 Euro (brutto) im Jahr entlasten“, rechnen die Experten vor. Macht insgesamt Einsparungen in Höhe von gut 145 Euro – für einen Dreipersonenhaushalt.
Noch ist unklar, ob und inwieweit weitere Entlastungen für Verbraucher mit Blick auf die eigene Stromrechnung kommen. Verivox-Energieexperte Thorsten Storck sieht jedenfalls Spielraum. „Da ein Alltagsleben ohne Strom längst nicht mehr denkbar ist, könnte er als lebensnotwendiges Gut eingestuft und entsprechend mit 7 Prozent Mehrwertsteuer abgerechnet werden. Momentan gilt ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent“, so Storck gegenüber dieser Redaktion. Eine Absenkung auf 7 Prozent würde seinen Berechnungen zufolge die Stromkosten der Haushalte um rund 10 Prozent senken, ein Dreipersonenhaushalt würde pro Jahr rund 143 Euro sparen, ein Zweipersonenhaushalt 100 Euro und ein Singlehaushalt 54 Euro. Doch so weit ist es nicht.
Energie-Ökonomin kritisiert geplante Entlastungen
Ohnehin haben Strommarkt- und Energieversorgungsexperten andere Erwartungen an die Verhandler. „Wichtig ist auf jeden Fall der weitere Ausbau der Netze und die Erhöhung des Angebots insbesondere an erneuerbaren Energien, die an der Strombörse preissenkend wirken“, sagte der Strommarktfachmann Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg dieser Redaktion. Ähnlich sieht es Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Kemfert kritisiert gegenüber dieser Redaktion die beschlossenen Entlastungen. Eine mit Steuergeld finanzierte Absenkung der Stromsteuer sei mit zehn Milliarden Euro Kosten „unnötig teuer“ und auch „ineffizient“. „Die pauschale Senkung der Strompreise bevorteilt Unternehmen und auch Haushalte, die es nicht nötig haben. Zudem wird so das Ziel des vermehrten Stromsparens konterkariert“, so Kemfert. Anstatt einer Entlastung mit der Gießkanne wäre eine bedarfsgerechte Entlastung der stromintensiven Industrie wirkungsvoller.
Auch private Haushalte sollten der Ökonomin zufolge „bedarfsgerecht“ und „sozial gestaffelt“ entlastet werden. Mögliche Stellschrauben dafür laut Kemfert: gestaffeltes Klimageld, ein preiswerterer ÖPNV oder aber Social-Leasingprogramme für Elektrofahrzeuge, Strom-Spezialtarife für Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge und auch die Förderung der energetischen Gebäudesanierung.
„Stromkonzerne können es ausnutzen und die Margen erhöhen“
Dass Strompreise durch die beschlossenen Maßnahmen wirklich sinken – und das dauerhaft – sei laut Kemfert auch nicht ausgemacht. „Zum einen wirkt der geplante Zubau von Gaskraftwerken strompreissteigernd, da Gaspreise hoch sind und steigende CO₂-Preise ebenso den Strompreis steigen lassen. Zum anderen können, wie oft in der Vergangenheit, Stromkonzerne es ausnutzen und die Margen erhöhen“, mahnte die DIW-Expertin. Große Stromanbieter in Deutschland antworteten dazu zunächst ausweichend.
Von Eon hieß es auf Anfrage dieser Redaktion, man berücksichtige bei der eigenen Preisgestaltung die Entwicklung aller Kostenbestandteile, sinkende genauso wie steigende. „Am Ende ist entscheidend, wie sich die einzelnen Preisfaktoren in Summe entwickeln“, so eine Sprecherin. Vattenfall teilte mit, dass Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte derzeit einen Großteil des Strompreises ausmachten. „Entlastungen bei Stromsteuer und Übertragungsnetzentgelten würden sich daher preisdämpfend aufseiten der Kunden bemerkbar machen“, so ein Unternehmenssprecher.
„Wahr ist aber auch: Eine unmittelbare Weitergabe einzelner Preisbestandteile ist Stromvertrieben regulatorisch derzeit leider nicht erlaubt – anders als beispielsweise bei der Mehrwertsteuer im Supermarkt“, sagte der Vattenfall-Sprecher weiter. Netzentgelte zum Beispiel würden derzeit nur einmal im Jahr neu festgelegt. „Der Gesetzgeber sollte Versorgern hier die Möglichkeit geben, Preisanpassungen direkt weiterzugeben, damit Kunden schneller davon profitieren.“
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