Berlin. Das kleine Luxemburg wirbt seit einiger Zeit mit einem neuen Slogan: Es sei das erste Land der Welt, das Mobilität kostenlos gemacht habe. Das Herzogtum hat seit 2020 den öffentlichen Nahverkehr für alle zugänglich gemacht, umsonst, auch für Pendlerinnen und Pendler sowie Tourismus-Reisende. Luxemburg ist nicht das einzige Land, das diesen Weg geht. Malta will im Herbst folgen und zumindest für die eigenen Bürger Bus und Bahn kostenlos anbieten.
Und Deutschland? Das für den Sommer geltende 9-Euro-Ticket für Busse und Bahnen nennen viele einen Erfolg. Laut dem Bundesverkehrsministerium hätten bisher nicht nur rund zehn Millionen Abonnenten das Ticket erworben, sondern auch etwa 21 Millionen Neukunden. „Wir haben spürbar weniger Verkehr auf den Straßen, deutlich weniger Staus. Offenbar sind viele vom Auto in Busse und Bahnen umgestiegen“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Erste Studien legen zwar keinen massiven Rückgang des Straßenverkehrs nahe, wie Wissing andeutet. Aber zumindest einen leichten. Was aber zutrifft: Die Nutzung von Bussen und Bahnen ist im ersten 9-Euro-Ticket-Monat Juni steil nach oben gegangen, im Schnitt mehr als 40 Prozent.
Doch Ende August soll dieses Experiment enden. Oder doch nicht? Mit dem Erfolg wächst die Debatte darüber, welches Modell im öffentlichen Nahverkehr dauerhaft einer Zeit der Energieknappheit und Klimakrise gerecht wird.
Wissing sagte nun der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wenn die komplizierten Tarifzonen verschwinden und die Tickets bundesweit gelten, wird der öffentliche Nahverkehr sehr viel stärker genutzt.“ Die Bundesregierung solle daher Wege finden, den „Tarif-Dschungel in Deutschland zu beenden“. Die Erfahrungen mit dem Ampel-Projekt würden erst ausgewertet: „Ab Herbst werden wir dann die notwendigen Schlüsse ziehen.“
Was das genau bedeutet, und ob der Bund den Ländern dauerhaft Geld für Billigfahrscheine zuschießen werde, ließ Wissing offen. Dass die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖNVP) für die Länder, Städte und Kommunen eine große Herausforderung sei, könne er nachvollziehen. „Allen ist aber auch klar, dass der Bund kein Monatsticket für neun Euro auf Dauer finanzieren kann. Das wären jährlich rund zehn Milliarden Euro.“
Fachleute heben hervor, dass nicht nur der günstige Preis ein Faktor für den Erfolg des 9-Euro-Tickets sei – sondern auch die einfachen, weil einheitlichen, Tarifstrukturen. „Deshalb müssen wir darüber nachdenken, perspektivisch ein bundesweit gültiges, einheitliches und vergünstigtes Ticket folgen zu lassen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Vorstöße kommen nun auch von Fachverbänden. Die Verbraucherzentralen schlagen vor, aus dem 9-Euro-Ticket ein 29-Euro-Ticket zu machen – also ein stark vereinfachtes Modell beizubehalten, nur den Preis leicht anzuheben.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-was-kommt-nach-dem-9-euro-ticket-_arid,1971905.html
Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Das 9-Euro-Ticket ist ein erfolgreiches Angebot