Es ist wie mit vielen Vorurteilen: Es scheint vordergründig eine Spur Wahrheit daran zu geben, doch diese Spur führt uns oft in die Irre, sie verschließt uns die Augen davor, dass die Dinge bei genauer Betrachtung eben doch ganz anders liegen, viel komplexer sind. Die Tuba, das größte und tiefste aller Blechblasinstrumente, kennen die meisten Menschen aus Blasmusikkapellen, die eben vorwiegend jene Musik machen, die wir Volksmusik nennen. Schon gegen Volksmusik ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber mitunter beschränkt sie die Musikerinnen und Musiker freilich auf einen kleinen Bereich ihrer eigentlichen Möglichkeiten, bei der Tuba, das genau ist eben das Vorurteil, bisweilen auf das Dum. Dum. Dum-dum-dum-dum-dum.
Mit diesem (falschen) Vorurteil könnte in diesem Jahr etwas aufgeräumt werden. Die Tuba ist seit 1. Januar Instrument des Jahres, doch leider, so beklagt es auch der Tubist des Mannheimer Nationaltheaterorchesters Siegfried Jung, sind offenbar viele Amtsträger in den teilnehmenden Landesmusikräten ebenso von den beschriebenen Vorurteilen beherrscht, denn: Es passiert wenig, sehr wenig, zu wenig, um die Reputation des unterschätzten Instruments aufzupolieren.
Natürlich gibt es für die Tuba nicht dieselbe Repertoirevielfalt wie für Violine, Cello oder Klavier. Auch die ganze Anmutung ist nicht eine kleine, nette kammermusikalische mit Tee und leichtem Gebäck. Doch immer wieder dringt der titanische Tieftöner auch in höhere Sphären ein und stößt den Raum auf in ungeahnt lyrische und, ja, zarte Räume. Eines der großen bekannten Werke, von Maurice Ravel instrumentiert, zeigt es: die „Bilder einer Ausstellung“. Dort, in dem dunkel und fast mystisch vor sich hintrottenden „Bydlo“ (Ochsenkarren) erreicht die Tuba eine ungeahnte Gesanglichkeit.
Mit solchen Werken könnten sicher Vorurteile abgebaut werden – oder eben mit dem, was Siegfried Jung auf seinem neuen Album spielt. Er geht auf Tuchfühlung mit der grazilen Harfe – und nichts geht dabei kaputt.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Nicht nur Bier und Humtata!