Noch nicht einmal den Hut hat er abgezogen, so sehr drängte es ihn zur Arbeit. Nun zeichnet er das Porträt eines Knaben ab, das ihm gegenüber an der Wand hängt - und kippelt dabei nervös auf einer Kiste hin und her. Diese Szene hielt Jacopo da Empoli um 1620-30 fest und gewährt uns einen Blick über die Schulter des Zeichners. Das kleine Blatt, mit der Feder gezeichnet und mit dem Pinsel braun laviert, ist also eine Momentaufnahme aus dem Alltag einer Künstlerwerkstatt.
Rund 90 Zeichnungen aus dem italienischen Barock
Jetzt hängt das Blatt im Frankfurter Städel als eines von rund 90 Zeichnungen aus dem italienischen Barock, der vom späten 16. bis frühen 18. Jahrhundert datiert. Damals wandte man sich vom Manierismus ab, der als geziert empfunden wurde. Fortan ging es stärker um den Alltag und um erzählende Motive, immer nah an der Wirklichkeit. Selbst den Heiligen gestand man menschliche Schwächen zu. Die „Versuchung eines Heiligen“, die Guercino um 1624/25 zeichnete, wirkt sehr lebensnah.
Der Heilige schiebt zwar die nackte Frau mit den Hörnern weg, während er mit der anderen Hand sein Kruzifix umklammert. Aber er schickt der Frau noch einen fast bedauernden Blick hinterher. So bekommen die populären Heiligen-Legenden wieder eine realere Dimension.
Schau im Frankfurter Städel-Museum in verschiedene Schulen unterteilt
Die Schau ist in sechs Regionen oder Schulen unterteilt, wie es schon seit dem 16. Jahrhundert üblich ist. Die wichtigsten Regionen sind Bologna und Florenz, gefolgt von Rom, Genua, Neapel und Sizilien. Fehlt nur noch die venezianische Kunst, der aber das Städel vor fast 20 Jahren eine eigene Schau widmete.
Die Venezianer dachten von der Farbe her, während die Florentiner sich auf das Spiel der Linien konzentrierten, wie das eingangs erwähnte Blatt des emsigen Zeichners zeigt.
Viele Künstler strebten nach Rom, um Aufträge zu erhalten
Die Bologneser wiederum bevorzugten die Modellierung der Figuren und Formen. In Genua pflegte man eher arkadische Themen, in Neapel und Sizilien ging es emotional zu. In Rom schließlich kamen viele Ideen zusammen, da alle Künstler nach Rom strebten, um Aufträge für Paläste und Kirchen zu erhalten. Nach Rom gingen auch die Brüder Agostino und Annibale Carracci, die zuvor lange in Bologna wirkten. Hier gründeten sie eine Akademie, die nach Wahrhaftigkeit strebte und das Studium der Natur ins Zentrum rückte.
So entwarf Annibale Carracci um 1596/98 eine idyllische Flusslandschaft mit Männern auf einem Kahn, aber Kuratorin Astrid Reuter verweist auf zwei Frauen am Ufer. Eine Frau zeigt auf die Männer, die zweite kauert am Boden und verrichtet ihre Notdurft - da ist er wieder, der oft beschworene Alltag.
Anlass der Ausstellung ist Italien als Gastland der Frankfurter Buchmesse
Der aktuelle Anlass der Ausstellung ist der diesjährige Auftritt Italiens als Gastland der Frankfurter Buchmesse. Dem Städel geht es bis zum 12. Januar jedoch um mehr, denn die 500 Blätter, die das Museum von Italiens Barock besitzt, wurden durchgesehen und die wichtigsten Werke neu bearbeitet.
So schaffte es auch eine Frau in die Schau. Elisabetta Sirani war zu Lebzeiten eine anerkannte Künstlerin, die detailliert, aber dennoch mit lockeren Strichen die Predigt des Johannes in der Wüste schilderte.
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