Mannheim. Im Interview bietet Daniel Müller-Schott Einblicke in seine persönliche und musikalische Verbindung zu Mannheim, seine Gedanken zur Mannheimer Schule und seine Interpretation von Saint-Saëns’ Cellokonzert im Akademiekonzert am 6. und 7. Oktober.
Sie haben bereits viele Stationen auf Ihrer Karriereleiter hinter sich. Gehört Mannheim schon dazu, oder feiern Sie hier Premiere?
Daniel Müller-Schott: Ich kenne Mannheim tatsächlich schon lange. Als Teenager bin ich dort erstmals aufgetreten und erinnere mich auch an einige Tournee-Konzerte im Rosengarten. Die Stadt ist mir sehr vertraut, und ich freue mich, wiederzukommen, besonders auf die Konzerte.
Mannheim ist für seine lange Musiktradition bekannt, im 18. Jahrhundert entstand hier die „Mannheimer Schule“. Welchen Bezug haben Sie zu diesem musikalischen Erbe?
Müller-Schott: Die Mannheimer Schule war für viele Komponisten eine Inspirationsquelle, auch für mein Instrument. Ohne diesen Einfluss wären etwa die Haydn-Cello-Konzerte wohl nicht in dieser Form entstanden. Ich habe selbst dazu geforscht, einige barocke Werke der Mannheimer Schule gespielt und früher auch im Mannheimer Schloss konzertiert. Dieses Erbe ist für mich bis heute ein geistiger Impuls.
Die Musikalische Akademie Mannheim besteht seit 1778 und ist eine der ältesten Konzertinstitutionen Europas. Was bedeutet es Ihnen, in diesem traditionsreichen Rahmen aufzutreten?
Müller-Schott: Es ist eine besondere Freude, mit einem Orchester aufzutreten, das eine so lange Geschichte hat. Nach meiner Erfahrung trägt jedes Traditionsorchester eine Art musikalische DNA in sich, die über Generationen weitergegeben wird. Das spürt man beim gemeinsamen Musizieren – im besonderen Klang ebenso wie im gewachsenen Verständnis für Interpretation.
In Mannheim stehen Sie mit Dirigent Roberto Rizzi Brignoli auf der Bühne, der seine Wurzeln im italienischen Repertoire hat. Welche Farbe bringt das in ein französisches Werk wie Saint-Saëns Cellokonzert?
Müller-Schott: Italien und Frankreich haben sich im 19. Jahrhundert stark gegenseitig inspiriert, und Saint-Saëns war ein Kosmopolit, der viel gereist ist, auch nach Italien. Er war ein Universalgenie, das nicht nur als Musiker, sondern auch naturwissenschaftlich und gesellschaftlich interessiert war. Diese Vielseitigkeit hat mich schon früh fasziniert: Mit 16 habe ich das Cellokonzert erstmals studiert. Ich bin in einem Umfeld groß geworden, das von Musik, durch meine Mutter, und Naturwissenschaft, durch meinen Vater, geprägt war, weshalb mich seine Doppelbegabung besonders fasziniert. Im Konzert spürt man das Opernhafte, das an Italien erinnert, ebenso wie seine Neugier auf die Welt. Für mich ist es deshalb sehr spannend, mit Maestro Brignoli diese kulturellen Hintergründe zusammenzuführen, und für das Publikum sicher ebenso reizvoll mitzuerleben.
Saint-Saëns‘ Cellokonzert Nr.1 gilt als Schlüsselwerk des Cellorepertoires. Was reizt Sie daran besonders?
Müller-Schott: Es hat eine perfekte Balance aus Virtuosität und Tiefgang, ist architektonisch klar gebaut und dadurch für Musiker wie Publikum gleichermaßen eine Freude. Ich erinnere mich an die Aufnahme mit Jacqueline du Pré und Daniel Barenboim, die ich als Kind mit acht oder neun Jahren gehört habe. Damals nahm ich mir vor, dieses Konzert unbedingt einmal zu spielen. Heute gehört es fest zu meinem Repertoire.
Wie hat sich Ihr Zugang zu diesem Konzert dann mit den Jahren verändert?
Müller-Schott: Ich hoffe natürlich, dass er sich entwickelt hat (lacht). Mit den Jahren erweitert sich der Erfahrungshorizont, nicht nur musikalisch, sondern durch das Leben insgesamt. Das prägt den Umgang mit Musik ebenso wie mit anderen Künsten: Ein Werk erscheint in jeder Lebensphase neu, so wie ein Bild, das man nach Jahren wieder betrachtet. Wichtig ist, sich diese Offenheit und fast kindliche Neugier zu bewahren, dann lässt sich in der Musik immer wieder etwas Neues entdecken.
Ohne Einleitung, nur mit einem Orchesterakkord, setzt das Cello bei Saint-Saëns sofort ein. Was bedeutet dieser plötzliche Auftritt für Sie?
Müller-Schott: Ich liebe das! Dieser Akkord ist wie ein Sturm, der losbricht, ohne Zeit zur Vorbereitung. Bei anderen Konzerten, etwa Dvorák, muss man Minuten warten, bis man endlich einsetzen darf. Hier geht es sofort los, und das begeistert mich jedes Mal. Die Sätze sind eng verbunden, alles geht nahtlos ineinander über. So entsteht ein eigener Kosmos, in den man unmittelbar hineingezogen wird und durch den Saint-Saëns das Publikum führt.
Das Werk entstand 1872, kurz nach dem Deutsch-Französischen Krieg. Spiegelt sich für Sie darin auch ein historischer oder kultureller Hintergrund?
Daniel Müller-Schott: Schwer zu sagen. Saint-Saëns war politisch sehr engagiert, insofern hat ihn die Zeit sicher beeinflusst. Zugleich zeigt sich in seinen Briefen, dass er Kunst immer als etwas verstand, das den Alltag überhöht und von politischen Umwälzungen frei bleiben sollte. Natürlich kann niemand völlig unabhängig von den Entwicklungen seiner Epoche schaffen. Aber seine Idee von Kunst war, etwas Schönes und Überzeitliches zu bewahren.
Daniel Müller-Schott in Mannheim
- Der Cellist: Daniel Müller-Schott, geboren 1976 in München, zählt zu den international renommiertesten Cellisten seiner Generation. Bereits früh gefördert, gewann er 1992 den ersten Preis beim Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb für junge Musiker und arbeitet seitdem mit namhaften Orchestern und Dirigenten weltweit zusammen. Neben seiner Solokarriere engagiert er sich auch intensiv in der Kammermusik und setzt sich für die Entdeckung und Aufführung vergessener Werke ein.
- Das Konzert: Am 6. und 7. Oktober im Mannheimer Rosengarten. Werke von Maurice Ravel (1875-1937, „Daphnis et Chloé“, Suite Nr. 2 und „La Valse“), Camille Saint-Saëns (1835-1921, Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 a-Moll op. 33), Modest Mussorgski (1839-1881, „Bilder einer Ausstellung“).
- Info/Karten (15-55 Euro): 0621/260.44 und hier.
Sie haben das Werk gerade in Indianapolis gespielt und bringen es nun nach Mannheim. Reizt es Sie, dasselbe Stück in ganz verschiedenen Konzerttraditionen zu erleben?
Daniel Müller-Schott: Absolut! Je nachdem, wo man auftritt, gibt es unterschiedliche Erfahrungshorizonte und Verständnisse von Musik. In Zentraleuropa spürt man eine gewachsene Tradition, während in Asien die Neugier auf europäische Kultur besonders stark ist. In Amerika wiederum beeindruckt mich die Begeisterungsfähigkeit und das private Engagement, ohne das der Kulturbetrieb gar nicht existieren könnte. Das schafft ein besonderes Gemeinschaftsgefühl, etwa bei Pre-Lecture-Talks, bei denen Förderer und Publikum ins Gespräch kommen. Für mich ist es ein großes Geschenk, diese Vielfalt erleben zu dürfen.
Bei all den Reisen: Wie schaffen Sie es, sich künstlerisch frisch zu halten?
Müller-Schott: Indem ich den Fokus auf die Musik lege und jeden Tag neu beginne. Über die Jahre habe ich mir eine Arbeitsweise angeeignet, die auf Neugier und Offenheit beruht - auch bei Werken, die ich oft gespielt habe. Für viele im Publikum ist es schließlich wie eine Uraufführung, weil sie das Stück zum ersten Mal hören. Genau für diese Menschen spiele ich.
Wenn Sie Saint-Saëns auf der Bühne spielen, welches Gefühl überwiegt?
Müller-Schott: Es ist immer eine Mischung aus Frische und Kraft, fast wie ein Naturereignis, verbunden mit Melancholie und Nachdenken über das Leben. Diese Stimmungen begleiten mich jedes Mal, wenn ich das Konzert spiele.
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