Literatur

Neues Buch von Loimeier: Literatur fördert den Dialog

Der Mannheimer Journalist und Literaturwissenschaftler Manfred Loimeier schreibt über kulturelle Beziehungen zwischen Afrika, der Karibik und dem Westen.

Von 
Thomas Groß
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Das Werk des kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong'o (1938 - 2025) thematisiert Manfred Loimeier in seinem Buch ebenfalls. © picture alliance/dpa/EFE

Mannheim. Europa ist nicht der Nabel der Welt und war es nie, ebenso wenig die USA. Weltzentren hat es immer mehrere zur selben Zeit gegeben – und daneben viel vermeintliche Peripherie, die man nicht unterschätzen sollte. Die Welt ist vielgestaltig und die Literatur auch davon ein Spiegel. Denn Bücher sind ein Ort des Dialogs, zum Beispiel zwischen Afrika, der Karibik und dem, was man den Westen nennt. Näher beleuchtet wird dies im neuen Buch des Journalisten und Literaturwissenschaftlers Manfred Loimeier.

„Die andere Seite der Geschichte“ hat der leitende Redakteur dieser Zeitung und Hochschullehrer seine Veröffentlichung genannt, die 14 großteils bereits anderswo erschienene und überarbeitete Beiträge versammelt. Der Titel bezieht sich besonders auf die Perspektive von Menschen und Gruppen, die als Verlierer der Historie gelten – und unterstreicht, dass Geschichte und Geschichten oft aus der Sicht von „Siegern“ geschrieben werden. Dass aber die künstlerische Literatur per se dazu tendiert, keine einseitigen Darstellungen zu liefern, bestätigt gleich der erste und längste Beitrag, „Facetten von Robinson Crusoe“. Der im Jahr 1719 publizierte Roman von Daniel Defoe stellt zwar die gestrandete weiße Titelfigur ins Zentrum und schildert den dunkelhäutigen Freitag als eine Person, die sich unterwirft, weil sie Crusoe als Retter begreift. Robinson aber hinterfragt seine Rolle als Landnehmer der Insel auch – und betreibt seine kleine Landwirtschaft gleichsam nachhaltig.

Auch Leitz Seiler greift Motive von „Robinson Crusoe“ auf

Robinson ist kein Ausbeuter von Natur und fremden Menschen und keine reine Personifikation des Kolonialismus. Gerade deshalb hat der Roman eine so vielfältige Wirkungsgeschichte entfaltet und Fortschreibungen bis in die Gegenwart erfahren, die Loimeier nachzeichnet. Auch Lutz Seiler greift in seinem mit dem Deutschen Buchpreis geehrten Roman „Kruso“ (2014) auf Motive Defoes zurück. Weitere Beispiele der Rezeption finden sich ebenso in Amerika wie in Afrika.

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Loimeiers thematische Facetten sind vielfältig. Der „Harlem Reniassance“, dem kritischen Werk schwarzer Kunstschaffender vornehmlich in New York zu Beginn des 20. Jahrhunderts, widmet er sich ebenso wie dem internationalen Buchmarkt, der Kolonialgeschichte, den „Literaturen der Karibik“ oder auch einzelnen Autoren. Dass dabei nicht zuletzt J. M. Coetzee und Ngugi wa Thiong‘o Berücksichtigung finden, ist keine Überraschung, denn Loimeier hat ihnen bereits monografische Einzelstudien gewidmet. Auf überraschende Details stößt man immer wieder: Dass etwa als Folge deutscher Kolonien nicht nur in Namibia, sondern auch Kamerun Deutsch noch immer eine Literatursprache ist, dürften nicht viele wissen.

Klischees und Vorurteile überwinden

Mit dem Buch möchte Loimeier zur viel beschworenen „Dekolonisierung des Denkens“ beitragen. Klischees und Vorurteile über afrikanische oder andere Länder, die europäische Kolonien waren, gilt es zu überwinden. Fairness im Umgang mit Menschen: So muss das Motto allen Miteinanders lauten. Es ist der rote Faden in Loimeiers Argumentation. Hergeleitet wird er aus der literarischen Vielfalt dieser Welt, die keinen Nabelpunkt hat, sondern viele Zentren, und die vielgestaltig ist.

Info: M. Loimeier: Die andere Seite der Geschichte. Der literarische Dialog zwischen Afrika, der Karibik und dem Westen. Edition Text + Kritik. 194 Seiten. 27 Euro.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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