Eigentlich hatten sich die meisten Besucher, die in Scharen, oft mit Picknick-Körben bewaffnet, Richtung Schwetzinger Schlosspark strömten, mit Schirm, Charme und Melone auf das große Donnerwetter von oben eingerichtet. Doch das blieb aus, von ein bisschen Nieselregen abgesehen, so dass Auge und Ohr sich ganz auf die Musik richten konnten, die das Orchester des Nationaltheaters Mannheim (NTM) unter seinem agilen und sensiblen Generalmusikdirektor Alexander Soddy mit Verve und gewohnt hinreißender Spieltechnik präsentierte.
„Schloss in Flammen“ heißt das traditionelle Open-Air-Event zum Abschluss des Festivals Mannheimer Sommer. Und das Nationaltheater präsentiert illustre Gesangssolisten aus seinem Ensemble, und schon fühlt man sich auf die großen Bühnen dieser Welt versetzt, wenn Bravourarien zwischen Giacomo Puccini und Ambroise Thomas aus der illusionistischen Scheinwelt der Oper zu Herzen gehen. Live ist das doch etwas anderes als ein „saft- und kraftloser Aufguss aus dem Radio“, wie Maestro Wilhelm Furtwängler vor vielen Jahrzehnten einmal quengelte. Nun, heutzutage sind die Übertragungstechniken raffinierter, dennoch mussten auch die Veranstalter 2018 dem Schlosspark insofern Tribut zollen, als es schwierig ist, ein so weitläufiges Gelände gleichermaßen perfekt auszusteuern.
Als Starter, neben Sekt oder Aperol, den sich so mancher gönnte, spielte das zwischen zwei nur virtuell röhrenden Hirschen platzierte Orchester eine süffige Mascagni-Ouvertüre, ehe Jorge Lagunes mit Leoncavallos Arie des „Tonio“ den Gesangs-Takt für den Abend vorgab: Sein Bariton strömt, hat Farben, Kraft und Ausdruck, erobert gleich das Publikum. Da wollen seine Kolleginnen und Kollegen nicht nachstehen, so dass sich ein „Best of“ der Stimmen entwickelte.
Moderiert von dem witzigen und belesenen Christian „Chako“ Habekost, der ironisch die Musikgeschichte aufs Korn nimmt und sich an den Kritikern aller Zeiten abarbeitet, mit wohlfeilem Erfolg.
Stabile Tiefen, mühelose Höhen
Tenöre erobern die Welt, zumindest aber Frauenherzen. Wenn Irakli Kakhidze unter anderem die Arie des Rodolfo aus Puccinis „La Bohème“ mit Schmelz und anrührendem Gefühl ausstattet, entstehen sofort Bilder von der ärmlichen Dachkammer in Paris, in der trotz winterlicher Kälte so herrlich gesungen werden kann. Ähnlich schön seine „Carmen“-Einfühlung als „Don José“. Auch auf Juray Holly dürfen sich die Opernfreunde freuen, wenn er in der neuen Spielzeit das Ensemble bereichern will, denn Material und Potenzial blitzen als Gounods „Romeo“ und mit Verdis „La Donna è mobile“ bestechend auf.
Genug geschwärmt, den Frauen gehört die Bühne, sie sind die Primadonnen, die wahren Stars. Hinreißend schön gestaltet – nur als Beispiel – Nikola Hillebrand die Arie der Philine von Ambroise Thomas. Das französische Fach liegt ihr, denn so nuanciert und geschliffen zugleich ist diese Arie selten zu hören. Oder Julia Faylenbogen, ihr Mezzo leuchtet, hat stabile Tiefe und mühelose Höhe und vor allem wunderbaren Wohllaut etwa in Pochiellis „Voce di donna“. Ebenso beeindruckend Sophie Rennert als Gluck-Orpheus in der Berlioz-Bearbeitung oder gemeinsam mit Nikola Hillebrand im zauberischen Duett von Léo Delibes.
Zu Gounods „Faust“-Walzer und Wagners Ouvertüre zur frühen Oper „Das Liebesverbot“, die kaum einer kennt, doch beides spritzig serviert, wurde dann das ersehnte und gut synchronisierte Brillant-Feuerwerk in den nächtlichen Himmel geschossen. Zündend wie die Musik, denn die Spezialisten von „Art & Fire“ haben sich einiges einfallen lassen. Im Schulaufsatz mag es – nach Elgars pompösem Marsch als Rausschmeißer – heißen: Dann gingen alle zufrieden nach Hause. In diesem Fall sogar beschwingt; ach, ja, würde uns doch nicht immer wieder der schnöde Alltag einholen. Die beste Nachricht zum Schluss: Das „Schloss in Flammen“ steht noch, die Feuerwehr brauchte nicht einzugreifen.
Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/kultur
Bilanz des Festivals
Mit dem „Mannheim Requiem“, einer Abschlussparty am Samstagabend sowie einem „Potluck“-Frühstück im Festivalzentrum beging gestern das Nationaltheater nach elf Festivaltagen das Ende des der Mannheimer Sommers.
Rund 16 200 Zuschauer besuchten die über 40 Veranstaltungen (darunter 13 NTM-Eigenproduktionen) inklusive des Rahmenprogramms.
„Natürlich freuen wir uns, dass wir auch mit den Besucherzahlen an die erfolgreichen Festivalausgaben der Vorjahre anschließen konnten“, sagte Opernintendant Albrecht Puhlmann. lim
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