Mannheim. Mannheim. Der Rahmen ist intim. Man wird per Handschlag begrüßt, sitzt um einen Tisch, trinkt Wasser oder Tee und kommt ins Gespräch. Noch ist nichts passiert. Die Personen und das Werk, um das es geht, wärmen sich im dahinterliegenden Studio gegenseitig auf. Der Einlass ist kurz und der Eintritt frei. „Unpolished Wednesdays“ gibt im Studio des Eintanzhauses, eingerichtet im kleinen Saal des ehemaligen Pfarrhauses der Trinitatiskirche, lediglich Einblicke - diesmal in die Arbeit der polnischen Tänzerin und Choreographin Julia Kosalka.
Eine Reihe mit großer Nähe zu Künstlerinnen und Werk
Einmal im Monat veranstaltet die Initiative für freie Tanz- und Performancekunst FLUX im Eintanzhaus-Probenstudio einen buchstäblich „unpolierten Mittwochabend“ mit Tanz. Die Idee dahinter ist, dass kurze Tanz-Experimente durch wechselnde regionale Künstlerinnen und Künstler einem neugierigen Publikum gezeigt werden.
Zum Konzept der ungewöhnlichen Reihe gehört auch, dass sich das Format ändern kann: kleine Vorführungen, Workshops oder andere Aktivitäten sind möglich, beinhalten aber immer die Interaktion mit dem Publikum. Im Zentrum steht dabei der Austausch und die Idee, sich gemeinsam künstlerischem Neuland und tänzerischen Wagnissen zu nähern.
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Es ist somit das ideale Format für Menschen, die zeitgenössischen Tanz „zwar irgendwie spannend, aber eben kryptisch“ finden, wie eine Besucherin eingangs ihre Motivation zum Kommen umreißt. Hier sind Neugierige richtig. Man sieht kleine Ausschnitte und kann sich, anders als sonst im Theater, über das Gesehene, über Assoziiertes und „irgendwie Gefühltes“ austauschen. Nicht nur untereinander, sondern eben auch mit den Choreographinnen und Tänzern.
Der Duktus dabei ist entspannt und respektvoll, keiner blamiert sich oder will so tun, als ob er oder sie mehr gesehen oder verstanden hätte wie andere. Gleichwohl sind die Antworten der Tänzerinnen spannend.
Bei der ersten Veranstaltung in dieser Spielzeit stellte die Tanzkünstlerin Julia Kosalka erste Eindrücke aus ihrer Produktion „Where Lilacs Blossom“ vor. „Wo der Flieder blüht“ erzählt sie uns schnell, im Garten eines Filmregisseurs, in dem man sich einst traf, um ein gemeinsames Projekt zu besprechen. Der Garten ist somit Inspiration und mentaler Rahmen einer „queerbasierten“ Frauenbegegnung.
Blühende Fantasie bewegt sich unter rauen Oberflächen
Dass der englische Titel in deutscher Sprache wie ein Heimatfilm mit Willy Fritsch, Magda und Romy Schneider klingt, sei keine Überlegung gewesen, stören würde es Julia Kosalkas Konzept allerdings nicht, entstand der Titel doch immerhin im Garten eines Filmkünstlers. Wir sehen Griffe an eine imaginäre Leinwand, zarte Annäherungen der Hände wie in Großaufnahme vor uns, und letztlich durch Isabela Rossi und Julia Kosalka das Zusammenkommen zweier Menschen und Seelen.
Die Musikauswahl ist wild gemischt, und auch die Körpersprache geht von Marschieren und Tragen bis zum innig umschlungenen Liegen durch alle Register tänzerischer Körperlichkeit. Ein Abend für Einsteiger allemal: Es ist spannend, so nah dran zu sein und hernach im Gespräch manches bestätigt oder als anders gemeint entschlüsselt zu bekommen. Alles läuft glatt, auch wenn es ein ganz normaler unpolierter Mittwoch war.
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