Kaiserslautern. Man darf gratulieren! Zum 150. Jubiläum des Museums Pfalzgalerie Kaiserslautern, kurz mpk genannt. Aber auch zur wunderbaren Neupräsentation der Kunst. Und eine weitere Gratulation für die ansprechende Konzeption. Denn die ist nicht nur spannend, sondern auch klug gedacht. Zum Einstieg wird ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des Hauses geworfen, auf 1875, und auf erste hochwertige Sammlungen handwerklicher Meisterkunst. Mit dieser Erinnerung beginnt der Rundgang im oberen Stockwerk, wo es in den anschließenden Räumen gar nicht mehr so zeitgeschichtlich zugeht. Denn hier folgt das Moderne. Mit Malereien, Fotografien und Bildhauerkunst. Aber die Exponate stehen und hängen nicht einfach nebeneinander, vielmehr werden pfiffige Fragen gestellt. Etwa „Wie siehst du dich?“ Heutzutage, wo jeder Mann und jede Frau ein Selfie machen kann, hält man wirklich inne. Spiegeln Porträts die Persönlichkeit? Dienen sie zur Selbstdarstellung? Wer will ich sein oder scheinen? Aus welcher Zeit stammen die Personen? Auch Kleider, die „Leute machen“, regen zum Nachdenken an. Ist ihr Outfit eine Botschaft? Zeichen der Gruppenzugehörigkeit, einer gesellschaftlichen Stellung? Und wie ist das heute?
Viele Anregungen durch „Bürgerbeirat“
Svenja Kriebel, promovierte Leiterin der Kommunikation, erzählt, dass für die Neupräsentation viele Menschen mit ins Boot geholt wurden. Nicht nur der Museumsdirektor Stefan Egle, Studenten und Kuratoren, sondern auch Bürgerinnen und Bürger, die nicht so oft ins Museum gingen. Dieser erstmals eingesetzte „Bürgerbeirat“, so lobt sie, habe am Ende vielerlei Anregungen gegeben. Knapp 300 Werke sind zu sehen, die aus museumseigenen Beständen in ein neues Licht gerückt wurden. Die klassische kunsthistorische Erzählung sei grundsätzlichen Gedanken gewichen. „Was ist eigentlich Kunst?“, „warum machen Menschen Kunst?“, „wer entscheidet, was Kunst ist?“ – und mit diesen Fragen im Kopf, kann man durchs Museum wandern. Von Raum zu Raum. Sich selbst Antworten überlegen. Während ein fast wandgroßes Gemälde von Max Slevogt die Familie im idyllisch heimischen Garten präsentiert, sind nicht weit davon entfernt zwei Frauen mit Baby zu sehen. Was davon ist befremdlich? Was und wie sind Beziehungen heute? Man sieht: Die Neugestaltung ist gleichzeitig ein Einbeziehen der Besucher. Egal ob jung oder alt. Jeder kann und soll sich einlassen, die Atmosphäre spüren, „sich abgeholt fühlen“, sagt Svenja Kriebel.
Mitmachprojektion und ein Bereich zum Meditieren
Das ist allerdings nicht in jedem Saal ganz einfach. Denn es gibt nicht nur „schöne“ Ausstellungsstücke, es geht mehr noch um Zeiten der Judenverfolgung. Der Bürgerbeirat wollte auch diese Epoche nicht ausschließen. Auch deshalb sieht sich der Besucher vor einem langen, leeren Tisch aus Gips. Statt Stühle stehen weiße Blöcke um ihn, die angedeutete militärische Kappen tragen. Daneben der Raum, der einem einzigen Maler gewidmet ist. Dem Juden Rudolf Levy. Trotz sicherer Flucht in die USA kam er nach Deutschland zurück – weil er Heimweh hatte. Er flüchtete nach Italien, kreuz und quer, wie die Marmorplatten – oder Stolpersteine – am Boden andeuten. Doch den Schergen entkam er nicht. Wer mehr über diese dunkle Ära erfahren möchte, dem sei die Sonderausstellung im ersten Obergeschoss ans Herz gelegt. „Zeitsprung – Gekauft. Getauscht. Geraubt“. Es geht um die Beschlagnahmung jüdischer Kulturgüter, um die Provenienz-Forschung, um Aufarbeitung und Wiedergutmachung. Sie dauert bis zum 5. Oktober.
Zum Museum
Das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern feiert seinen 150. Geburtstag. Bereits im Jahr 1875 wurde das mpk als „Pfälzisches Gewerbemuseum“ gegründet. In der Neupräsentation sind auch hochwertige Meisterstücke früherer Handwerkskunst zu sehen.
Im Laufe der Jahre ist aus dem Gewerbemuseum ein Kunstmuseum mit einer vielfältigen Sammlung geworden. Zirka 300 Werke sind in der bemerkenswerten Neukonzeption zu erleben. Daneben gibt es Sonderausstellungen.
mpk, Museumsplatz 1, 67657 Kaiserslautern. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 11 bis 20 Uhr. Montag geschlossen. köst
Doch noch einmal zurück zu den Themenwelten und deren reizvoller Präsentation. Wer wollte nicht schon immer ein Kunstwerk berühren dürfen? Auch das ist hier möglich. Schwarze Handschuhe liegen bereit, die Bronzeskulpturen warten auf Streicheleinheiten und eine Wandinstallation darf betreten werden. Das macht an. Und Spaß obendrein. Farbwelten, Papierschnitte, Landschaften, alles von klassisch bis zeitgenössisch, die Erhabenheit der Natur, bewegte Bilder im schwarzen Raum, das „Weiß ist nicht gleich weiß“, mit ausschließlich weißen Werken, die die Konzentration herausfordern, eine Mitmachprojektion, ein Bereich zum Meditieren, all das ist Kunst, die anregt. Langweilig kann es hier nicht werden. Aber warum machen Menschen Kunst? Wieder eine Frage, die die Kunstwerke hier tatsächlich selbst beantworten. Eine Videoarbeit offenbart politische Hintergründe, Reliquienkästen religiöse, Gemälde erzählen von Status und Machtverhältnissen oder eine schlichte Bildhauerarbeit von bescheidener Schönheit und hoher Handwerkskunst. All das, so verspricht das mpk, ist auch online zugänglich. Unter der neuen Plattform „mpk Sammlung digital“.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/kultur_artikel,-kultur-im-museum-pfalzgalerie-kaiserslautern-darf-man-kunst-streicheln-_arid,2304475.html