Schwetzingen. Dass Giovanni Zarrrella als Solist mal Tausende von Zuschauerinnen und Zuschauern zu einer großen Konzertreihe wie Musik im Park in Schwetzingen anlocken würde, war am Anfang seiner Karriere nicht unbedingt abzusehen. Bei der zweiten Ausgabe der Castingshow „Popstars“ sprang er 2001 als Letzter ins Boot der kurzlebigen Combo Bro‘Sis. Als Sänger wurde sein Kollege Shaham Joyce aus Walldorf wesentlich höher gehandelt. Aber das einstige Fußballtalent Zarrella (AS Rom, VfB Stuttgart) zeigte professionellen Biss und Stehvermögen. Der Italo-Schwabe tingelte mit diversesten Shows durchs Privatfernsehen.
Dass es ernst werden würde mit seiner Gesangskarriere wurde erst am 26. Juli 2019 klar: Da landete er nach „14-jähriger Kreativpause“, wie es Zarrella selbstironisch nennt, in den Albumcharts tatsächlich vor dem stets auf Topplatzierungen abonnierte Mannheimer Xavier Naidoo auf Rang zwei. Die Idee hinter der Erfolgsplatte „La vita è bella“ ist nahezu genial, so dass man sich wundert, dass niemand früher darauf gekommen ist: Zarrella sang einfach einige der populärsten deutschen Schlager auf Italienisch.
Erfolgsrezept „Deutsche Hits auf Italienisch“
Eine Win-Win-Win-Situation: Es klingt für mehrere Generationen bekannt, trotzdem neu und irgendwie exotisch. Und vor allem so, dass es auch Schlagerhassern gefallen kann. „Ich muss was machen, was man mir glaubt“, erklärt der Sänger sein damaliges Ziel gegen Ende seines zweistündigen Konzerts im Schlossgarten. Die 3500 Fans, ganz kompetent aufgewärmt von Deutschpopsänger Daniele Puccia, tun mehr als das – sie fressen ihm aus der Hand. Sein Erfolg manifestiert sich mit Platz eins für das nachfolgende Album, Platin- und Gold-Awards sowie eine nach ihm benannte ZDF-Show. Die ist tatsächlich seit 2021 eine gut gemachte Oase in der Unterhaltungswüste des deutschen Fernsehens.
Live zeigt der 46-Jährige, dass er ein routinierter Unterhaltungskünstler geworden ist, der sich in die TopTen der Schlagerbranche einreiht. Seine Begeisterung wirkt extrem ansteckend. Mal witzig, mal anrührend, immer charmant, gesanglich gut sortiert und sympathisch gestaltet er eine Show, die ein fast komplett anderes Programm bietet als 2023 im Mannheimer Rosengarten. Die "Italienische Sommernacht" ist jetzt Italo-Pop-Revue als Schlagersause.
Chris Papendiecks erstaunlich gute Band zeigt wenig Interesse an musikalischen Schlagerklischees
Das liegt auch an der von Keyboarder Chris Papendieck geleiteten, anfangs fast komplett sonnenbebrillten Band, die nur selten Lust auf den schlagertypischen Viervierteltakt hat. Drei kubanische Bläser machen auch physisch etwas her, zwei Chorsängerinnen stehen auch im Duett ihre Frau und Gitarre, Bass und Schlagzeug sind ebenfalls kompetent besetzt. Nicht zuletzt macht auch der Hauptdarsteller eine „Bella figura“ – sein Lächeln überstrahlt immer wieder den mondänen hellen Anzug. Das ganze Setting strahlt vom ersten Song nach einem kurzen „1999“-Intro aus: Stimmung! Jetzt!!
„Ciao!”, im Original der Opus-Dauerschunkler „Life Is Life“, kommt Zarrellas Allergie gegen ein sitzendes Publikum gleich sehr entgegen. Seine Aufforderung zum Tanz formuliert er dezent: „Ich weiß es sind Sitzplätze, aber wir sind hier nicht im Kino.“ Und er weiß, die Leute für sich einzunehmen: Etwa als er mit lokaler Kompetenz an die mitreißenden Auftritte mit Shahams Session-Band Me And The Heat donnerstags in der Nachbarschaft erinnert. Und damit mehr Jubel auslöst, als später mit angesungen Bro’sis Hits.
Zarrella singt seinen italienischen Text, die Fans übernehmen den „Ohne dich“-Refrain der Münchner Freiheit
Noch besser funktioniert sein zig millionenfach geklickter, größter Hit „Senza Te“ - das erste von vielen Duetten mit dem Publikum. Zarrella singt seinen italienischen Text, die übernehmen Fans den „Ohne dich“-Refrain der Münchner Freiheit. Und das gut: „Ihr kleinen Streber“, lobt er silberzüngig. Seine ganz neuen Nummern wie „Fantastico“ oder „Danza“ gehen eher Richtung Italo-Disco. Die singt er rauer und somit interessanter.
Aber der Familienmensch kann auch das große Gefühlskino. Seine von Familienbildern unterlegte Version von Drupis „Piccola e fragile“ berührt, weil Zarrella verrät, wie sein musikbegeisterter Vater es immer seiner Mutter vorgesungen habe. Mit Lucio Dallas „Caruso“ oder „O sole mio“ wagt er sich sogar auf von Pavarotti besetztes Terrain – und überzeugt.
Der kleine Showman Eljano stieht „dem besten Sänger der Welt“ fast wie ein Streetdance-Profi die Show
Doch Partystimmung liegt ihm noch mehr. Ein latin-Medley und mehrere Michael-Jackson-Hits räumen genau so ab wie die italienische Version von Nenas Klassiker „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ nahe am Jan-Delay-Sound. Bei „Thriller“ stiehlt ihm fast ein kleiner Junge die Show: Eljano soll ein wenig mittanzen, rockt den Schlossgarten aber wie ein Profi-Streetdancer. Dann darf er die Band vorstellen und seine „schöne Mama“ und den Papa mit der Kappe grüßen. Die Menge tobt, Zarrella ist so gerührt, dass er dem Jungen einen Schein zusteckt: „Kauf Dir bitte was!“ Da hatte der kleine Showman ihn gerade mit „Das ist der beste Sänger der Welt!“ geadelt. Die nächsten Tourtermine wird er sich womöglich in den Kalender eintragen müssen.
Gegen Ende interagiert Zarrella immer mehr mit dem Publikum. Stimmt auf Zuruf Lieder an und räumt mit so gegensätzlichen Liedern wie „Dammi“ (Wolfgang Petrys „Wahnsinn“) und „Un Angelo“ in der Zugabe komplett ab. Letzteres ist im Original Robbie Williams‘ größter Hit „Angels“.
Robbie Williams als Anker und „Angels“ beziehungsweise „Un Angelo“ als Schlusspunkt
Bewegt erzählt Zarrella, dass der ebenfalls bei einer Boygroup gestartete Engländer in der langen musikalischen Diaspora sein Anker gewesen sei. Weil er als einer der wenigen Casting-Sänger bewiesen habe, dass man es auch mit diesem Hintergrund zum erfolgreichen Solokünstler bringen kann. Auch das glaubt man ihm. Er hat es in Schwetzingen ja nachdrücklich bewiesen. Und auch das Versprechen einer „Italienischen Sommernacht“ wurde wettertechnisch halbwegs eingehalten.
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