Mannheim. Die Autorin und Künstlerin Moshtari Hilal spricht mit „Süddeutsche Zeitung“-Redakteurin Christiane Lutz über ihr Buch „Hässlichkeit“. Es ist ein aufschlussreicher Abend beim Literaturfestival Lesen.Hören in der Alten Feuerwache Mannheim, bei dem die Gäste viel vom „Hass“ erfahren, der dem Begriff innewohnt.
Moshtari Hilal erzählt bei Lesen.Hören in Mannheim von eigenen Erfahrungen
Am Anfang des Abends hören wir Moshtari Hilal von einem Mädchen reden, das von einem Schulfoto lächelt - und als „hässliche Pferdefresse“ bezeichnet wird. Ein Kind, das fortan 14 Jahre lang nicht mehr lächeln wird. Dieses Foto von sich, schwarz-weiß und ganz zerknittert ist es, wurde auf dem Einband ihres Buchs gedruckt, dem die Autorin, die von Haus aus visuelle Künstlerin ist, den Titel „Hässlichkeit“ gegeben hat. Vor weniger als einem Jahr ist es erschienen und wurde mit dem Hamburger Literaturpreis als „Sachbuch des Jahres“ ausgezeichnet.
Dieses Werk stellt Hilal im Gespräch mit der Journalistin Christiane Lutz beim Literaturfestival Lesen.Hören 18 der Alten Feuerwache Mannheim vor. Das unerhörte kulturelle, gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Machtvolumen dessen, was als schön erachtet wird; die Kraftanstrengungen, die zu aller Zeit von Menschen unternommen worden sind, um schön zu sein; und die Ausgrenzungen, die erleiden muss, wer oder was nicht unter den ästhetischen Normzahlen unterworfen wird: All diese gravierend weitreichenden Aspekte von „Hässlichkeit“ werden an diesem gut besuchten Lese-Abend aus den verschiedensten Blickwinkeln reflektiert.
Geschichte der Hässlichkeit hat laut Hilal auch mit der Rassentheorie zu tun
Die Autorin betrachtet dabei die Genese von Menschenbildern und Wertungssystemen, die kontrollieren, „wann ein Mensch richtig ist und wann ein Mensch nicht richtig, fast schon kein Mensch mehr ist“. „Wenn wir uns die Geschichte von Hässlichkeit eigentlich anschauen, dann ist es eine Geschichte der Rassentheorie, eine Geschichte der Dehumanisierung im Kontext des Kolonialismus, der Ausbeutung von Menschen“, erklärt sie. Und es sei ebenso „eine Geschichte des Nationalsozialismus, des Faschismus“, wo „falsche Menschen identifiziert wurden“ - mit Folgen, die, wie wir alle wissen, zu den dunkelsten Kapiteln der Welthistorie führten.
Das Versprechen, „dass man durch Selbstoptimierung - auch durch den chirurgischen Eingriff, durch jegliche Art von Imitation und Anpassung an dieses Schön, an diese Exklusive - an das bessere Leben herantreten könnte“, das klinge erst einmal verführerisch. „Für mich ist daher die Auseinandersetzung mit Schönheit und Hässlichkeit auch immer die Frage: Zu welchen Menschen und Gruppen in unserer Gesellschaft versuchen wir Nähe zu schaffen?“, so Hilal.
Und zu welchen schaffen wir möglichst viel Distanz, weil wir wissen, „dass sie in unserer Welt das schlechtere Leben leben“, weil sie gehasst, strukturell ausgegrenzt und diskriminiert würden. Und gerade weil dies ein so aufschlussreicher wie anregend vielschichtiger Lese-Abend ist, wäre ein abschließendes kleines Gespräch mit dem Publikum - mag das auch nicht als Teil des Festivalformats vorgesehen sein - sehr schön gewesen.
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