Mannheim. Dieser neue Album-Titel dürfte vielen in der Halle aus dem Herzen sprechen: „Endlich wieder diese Vibes“, singen Mal Élevé und sein Mit-Vokalist Osy Ris in der Alten Feuerwache Mannheim. Will sagen: Endlich wieder dieses melodisch prickelnd eingesponnene Gefühl gegenseitiger Verbundenheit, das sich einem sonnig-entspannt um die Seele wickelt. Doch wer mit der Musik von Mal Élevé vertraut ist, weiß eben auch, dass mit der nächsten Nummer schon wieder ein Sturm aufziehen kann. Denn der Sänger, Rapper und Songschreiber (dessen Künstlernamen man mit „schlecht erzogen“ übersetzen darf) steht eben gerade nicht für Musik, zu der man in unbeschwerter Gedankenlosigkeit das Gemüt durchlüften kann.
Wo er spielt, da ist auch Protest, da ist Aufbegehren gegen soziale und politische Missstände, gegen Faschismus, Nationalismus und ihre finstere Verwandtschaft, die auf Namen wie Homophobie, Antisemitismus oder Sexismus hören. Das ist heute so und das war früher so, als der inzwischen 41-jährige Wahlberliner, der bürgerlich Pablo Charlemoine heißt, ab der Jahrtausendwende mit seinem Bruder Carlito in der Heidelberger Band Irie Révoltés musizierte, die ihrerseits Reggae, Dancehall, Ska, Hip-Hop und Punk in prägnanter Manier verquickten, und in den 17 Jahren ihres Bestehens gleichsam zu einer Instanz in Sachen populärer aktivistischer Musik wurde.
Dass die zuletzt neunköpfige Gruppe in dieser Hinsicht ein Vakuum hinterlassen und schmerzlich vermisst werden würde, deutete sich schon 2017 beim großangelegten, mit knapp 10 000 Fans ausverkauften Abschiedskonzert in der Mannheimer Maimarkthalle an. Als Mal Élevé hiernach begann, solistische Pfade zu beschreiten, war bald auch die Heidelberger Halle02 vollends ausgelastet - über 1000 Fans kamen zum Start seiner 2022er-Tour dorthin.
Im Programm finden sich auch Songs von Irie Révoltés
Ganz so viele Besucherinnen und Besucher wie beim Heidelberger Solo-Heimspiel sind es diesmal nicht, aber zur guten Hälfte dürfte die ähnlich dimensionierte Alte Feuerwache sicher gefüllt sein, in der Mal Élevé und Osy Ris zusammen mit ihren Live-Mitstreitern - Schlagzeuger Jan „Stixonspeed“ Pfennig und Gitarrist Paolo Valente - Station machen. Der erste gemeinsame, im September erschienene Studio-Langspieler der erprobten Bühnenpartner hat auch der aktuellen Herbsttour ihren Namen gegeben - „Amour & Résistance“: Liebe und Widerstand, was wiederum überaus geeignete Schlagwörter sind, wenn es darum geht, den Geist dieses zweieinhalbstündigen Konzerts zu beschreiben, das die Vier mit „Partigiani“ druckvoll starten, um kurz darauf bei „Illimité“ mit stiebender Punkrock-Energie zu punkten oder bei „Migration“ nachdrücklich zu bekräftigen: „Migration ist die Mutter der Menschheit“.
Im Programm finden sich neben Solo- respektive Duo-Stücken der beiden Vokalisten auch Irie-Révoltés-Klassiker, wie das vom Publikum in programmatisch-kollektiver Geste begleitete „Fäuste hoch“. Zu „Moshpit“ mischt sich das Mikrofon-Duo unter die Besucherinnen und Besucher und eröffnet dort eine hochenergetische Tanzkreis-Runde.
Bei der mahnenden Weltschutz-Ballade „Planet“ („Wir haben keinen Planet B“) wird die Band alsbald von Gastkeyboarderin Hilde begleitet, am Mikrofon stößt später der staatenlose Mannheimer Rapper Wonda Prince dazu, und zu „Yaya“, das Mal Élevé seiner Familie, allen Sinti und Roma und der französischen „Manouche“-Community widmet, tanzt auch sein Vater mit auf der Bühne.
Diese wird zudem wiederholt zur Plattform für Initiativen wie „Viva con Agua“ oder „Die letzte Generation“. Mit dem Stück „Mittelmeer“ („Vor der Haustür Europas gibt es ein riesengroßes Massengrab“, so Mal Élevé) richtet der Sänger den Blick auf Seenotrettungsorganisationen wie die „Seebrücke“, die gleichfalls vor Ort vertreten ist. Nach der Antifa-Hommage „161“ geht es schließlich mit „Rebelles“ in die Zugabe, ein Stück, das noch einmal eindrücklich zeigt, dass die Irie-Révoltés-Ära zu Recht unvergessen geblieben ist - und Mal Élevé deren Vermächtnis kongenial fortsetzt.
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