Kirchenmusik

Mannheimer Christuskirche: Bachchor führt Jazzmesse auf

Brillant: Der Bachchor hat erstmals Johannes Matthias Michels Jazzmesse in der Mannheimer Christuskirche aufgeführt - unterstützt durch ein hochkarätiges Jazzensemble

Von 
Georg Spindler
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Der Bachchor realisiert erstmals eine komplette Jazzmesse. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Dieses Konzert wirkt nach. Nicht nur weil der letzte Konsonant im abschließenden „Amen“ gefühlt eine Minute lang durch die Mannheimer Christuskirche hallt und jeden Winkel des Gotteshauses zu erfüllen scheint. Sondern auch weil die Jazzmesse von Hausherr Johannes Matthias Michel 70 Minuten lang das Lob Gottes mit imposanter Klangvielfalt und faszinierender Variationsbreite beschworen hat.

Bachchor Mannheim führt zum ersten Mal Michels Jazzmesse auf

Zum ersten Mal hat der Bachchor Mannheim unter Michels Leitung sein 2010 entstandenes Sakralwerk aufgeführt, ergänzt durch ein hochkarätiges Jazzensemble aus der Region. Beeindruckend ist zunächst einmal die Gestaltungskraft der Komposition, die den lateinischen Messetext mit Chorgesang und afroamerikanischer Musik zusammenführt. Dass dies ohne Pathos und Effekthascherei gelingt, ist eine der Stärken dieser Jazzmesse.

Mit großer Tonkunst hat Michel die 21 Sätze sensibel auf den religiösen Gehalt der traditionellen Messliturgie zugeschnitten. Dabei wartet er mit mancher Überraschung auf: Das „Gloria“ lässt er in einer Rasanz erklingen, als wolle er die göttliche Gegenwart allüberall hörbar machen.

Das „Deum de deo“ wird zum leicht dahinfliegenden Bossa-Nova-Song, das „Angus Dei“ schaukelt gar walzerartig im Rhythmus eines südamerikanischen Schreittanzes voran. So löst das Werk sich von eurozentrischer Verharrung und unterstreicht den Rang des Christentums als Weltreligion.

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Von
Martin Vögele
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Gleichermaßen vielfältig setzt Michel den Bachchor ein: volltönend und überwältigend im Taufbekenntnis, ganz anders - raunend, fast entmaterialisiert - beim „Domine Deus“, das „Benedictus“ deklamieren Sänger und Sängerinnen in effektvollem Wechsel.

Bisweilen verzweigen sich die Stimmen in kunstvoller Polyphonie, mit Lautpoesie und Sprechgesang entschwinden sie auch mal in mysteriöse Sphären. Dass der Chor zum Dankgebet swingend mit den Fingern schnipst, ist dagegen ein augenzwinkernder Verweis auf die große Tradition afroamerikanischer Musik.

Pianist setzt Klammer zwischen Chorgesang, Kirchenmusik und Jazz

Die bringt naturgemäß das Jazzensemble mit ins Spiel. Katrin Armani meistert den schwierigen Gesangsspagat zwischen klassischer Intonation und swingender Phrasierung. Bruchlos vereint sie beide Welten, am mitreißendsten im Auferstehungshymnus „Et ressurexit“, wo sie strahlend virtuose Koloraturen scattet, während der Chor jubiliert. Am bewegendsten setzt die Sopranistin sich im räsonierendem Lobgesang „Laudamus“ als Jazzvokalistin in Szene, während Volker Engelbert am Klavier gospelartige Harmonien unterlegt.

Der Pianist ist an diesem Abend so etwas wie der Spielmacher. Er setzt gekonnt die Klammer zwischen Chorgesang, Kirchenmusik und Jazz. Perlend swingende Tonfolgen, dämmrige Bassakkorde, bluesige Tremoli, balladeske Arpeggien oder an Duke Ellington erinnernde Zierläufe - Engelbert beherrscht das alles souverän. Markus Armani (Gitarre) und Martin Simon (Kontrabass) stützen, akzentuieren und forcieren subtil den swingenden Fluss. Daniel Mudrack begeistert als feinfühliger Schlagzeuger, der trotz geringer Lautstärke für enormen rhythmischen Drive sorgt und mit einem komplexen Solo brilliert.

Am Ende erklingt eindrücklich das Friedensgebet: zart, schwebend und zerbrechlich. Es mahnt, wie fragil die Schöpfung Gottes ist. Ein wunderbarer Abend.

Redaktion

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