Konzertkritik

Paula Carolina strahlt in Mannheim mit der Sonne um die Wette

Eine kleine Sternstunde: Die Hits der Wahl-Mannheimerin und ihrer furiose Band werden beim extrem gut besuchten Open Air auf der Sommerbühne der Alten Feuerwache euphorisch mitgesungen

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Kann „Schreien“ und mehr: Paula Carolina auf der Sommerbühne der Alten Feuerwache. Am Samstag spielt sie dort beim Elektrik Pony Cup © Thomas Tröster

Mannheim. Gut, dass Paula Carolina und ihre Band alle nur ein paar Minuten Fußweg von der Alten Feuerwache entfernt in Mannheim wohnen. Denn nach dem triumphalen Auftritt der Indie-Pop-Senkrechtstarterin auf der dicht umdrängten Sommerbühne ist auch der Andrang am Merchandising-Stand enorm.

Die Vinyl-Ausgabe der im Juli erschienenen EP „Heiß/Kalt“ mit sechs Songs ist trotz des nicht unstolzen Preises von 25 Euro schnell ausverkauft. Aber Nachschub lagert ja nicht weit entfernt.

Herbsttournee in größeren Hallen?

So ein liebevoll signiertes Exemplar wird schnell seinen Wert steigern. Denn die junge Karriere der Hannoveranerin nimmt seit Frühjahr rasant Fahrt auf: Die mitreißende Berlin-Nummer „Schreien!“, gefeierte Zugabe auf der Sommerbühne, hat auf Spotify mehr als sechs Millionen Klicks.

Der „Turbo-Remix“ macht seinem Namen alle Ehre und gab den letzten Kick. Um zum Beispiel die Herbsttournee fast komplett in größere Hallen verlegen zu können.

Stil der frühen Nena

Für die einen macht sie eingängigen, rockigen Indie-Pop. Ältere Musik-Fans hören da glasklare Neue Deutsche Welle (NDW). Man spricht schon von neuer NDW, einem Trend der auf Maifeld-Derby-Acts wie Drangsal oder den gegen Paula Carolina fast sediert klingenden Edwin Rosen zurückgeht.

Die Wahl-Mannheimerin ist aber mindestens so mitreißend wie Drangsal. Sie klingt mal kühl und brillant à la Ideal. Aber auch eingängig und energiegeladen - im Stil der frühen Nena, an die sie auch optisch ein wenig erinnert.

Gesang mit breitem Spektrum 

Beide nutzen mitunter ein charakteristisches Kieksen, aber Paula Carolina ist stimmlich breiter auf gestellt: Ihr Gesang kann hell strahlen, wohlig tief tönen und kraftvoll geradeaus rocken. Bei den sehr zeitgemäßen Texten gibt es die größten Unterschiede. Vor 40 Jahren hat es die Hormone zum Fliegen gebracht, wenn Nena „Ich hab’ heute nichts versäumt / Denn ich hab’ nur von Dir geträumt“ sang. Heute klingt das unverblümter wie im heftig mitgesungenen Abräumer-Refrain von „Wär’s okay?“: „Samstagabend kurz vor acht / Hab’ ich was Unanständiges gemacht / Denn ich hab’ dich gefragt / Wie ich’s dir am besten mach’.“

Mehr zum Thema

KulTour

Unsere Veranstaltungstipps bis 16. August: Endspurt der Festival-Saison

Veröffentlicht
Von
Martin Vögele und Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren
Konzertkritik

Wie PaulWetz in Mannheim Schönheit tankt

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren
Konzertkritik

Wie Sängerin Mine auf der Mannheimer Buga Perseiden-Pop spielt

Veröffentlicht
Von
Martin Vögele
Mehr erfahren

Aber Paula Caroline kann’s auch offensiver und kanzelt unliebsame Verehrer in „Bitte bitte“ ab: „Du fragst mich: ,Hast du PMS / Oder vielleicht zu selten Sex?’ Reiß dein Maul noch weiter auf und es gibt Stress.“ Den Refrain „Kannst du mal bitte, bitte, bitte deine Fresse halten?“ singt das buntgemische Publikum aus vollem Herzen mit. Alle strahlen mit der Sonne (endlich!) um die Wette. Aber trotz Geier Sturzflugs „Bruttosozialprodukt“ als Schlussnummer ist nicht nur Party angesagt. Es gibt auch tiefschürfende Texte über die Umwelt („Das Ende“) oder Depressionen.

Dass Mannheim dieser aufgehende Stern quasi zugelaufen ist, liegt an der Popakademie. Mit ihr habe sie selbst nichts zu tun, erklärt Paula Carolina im Nachgespräch. Aber ihre in allen Fahrwassern kompakte bis furiose Band aus Keyboarder Jonas Schmitt, Bassist Charly Härtel, Gitarreist Nikolaus Winkelhausen und Drummer Felix Burtscher sind oder waren dort genau so eingeschrieben wie Managerin Sara Holzwarth.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen