Ausstellung

Romantikmuseum zeigt Aufbruch mehrerer Künstlergenerationen

Die Schau „Freiräume. 110 Möglichkeiten, der Welt zu begegnen“ zeigt 110 Werke von 70 Künstlern. Sie ist noch bis zum 11. November in Frankfurt zu sehen.

Von 
Christian Huther
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Auch das Werk Marino von Camille Corot ist in der Ausstellung „Freiräume“ in Frankfurt zu sehen. © Alexander Paul Englert

Frankfurt. Was soll die Schlaufe an dem kleinen Bild? Die hat der Künstler wohl selbst angeklebt, vermutet Kuratorin Mareike Hennig. So konnte Jakob Becker sein Landschaftsbild an die Wand des Ateliers hängen. In dieser Ölskizze von 1840/50 nimmt der dramatisch sich verdunkelnde Himmel zwei Drittel des Bildes ein, während darunter Bauern versuchen, ihr Heu trocken nach Hause zu karren. Ein erzählerisches Gemälde, das vor der Natur entstand – sicherlich wurde auch Becker nass.

Dieses und andere rasch hingeworfene Bilder vermittelten Becker im Atelier frische Eindrücke. Damit war der bei Worms geborene und in Frankfurt lebende Maler nicht allein. Viele Künstler strebten damals ins Freie, um andere Orte zu sehen, neue Motive zu malen und ungewohnte Perspektiven zu erproben – es war der Aufbruch mehrerer Künstlergenerationen.

Freilich musste man in der Natur zügig arbeiten, um das Gesehene festzuhalten. Nicht mehr als eine halbe Stunde dürfe man für einen Sonnenuntergang brauchen, befand der Maler Henri de Valenciennes. So verlegten sich die Künstler aufs kleine Format, auf Papier, Pappe oder Leinwand, mit Öl- oder Aquarellfarben gemalt oder mit dem Stift skizziert.

Werke stammen aus der Privatsammlung Stephan

Derlei Freiräume zur Entfaltung suchten Künstler immer. Darauf beruft sich das Romantikmuseum in Frankfurt und nennt seine neue Schau „Freiräume. 110 Möglichkeiten, der Welt zu begegnen“. Tatsächlich geht es um vielerlei Freiräume, denn die 110 Bilder von 70 Künstlern stammen aus der Privatsammlung Stephan. Anders als Museen können Sammler ihre Interessen nach Gusto ausleben. Stephan etwa beschränkt sich auf das kleine Format und neue Techniken wie der Ölskizze.

Ihm und vielen anderen Sammlern ist es zu verdanken, dass diese Bilder erhalten blieben. Die Ölskizzen wurden lange gering geschätzt. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als man sich von der akademischen zur natürlichen Malerei hinwandte und im Freien arbeitete. Noch einfacher ging es ab 1841, als die Ölfarben in Metalltuben gefüllt wurden.

Gleich mehrere Bilder von Camille Corot zu sehen

Ein Glücksfall also, dass die im Taunus beheimatete Sammlung erstmals an die Öffentlichkeit tritt. Der Rundgang kommt einer Entdeckung gleich, da es sich durchweg um hochkarätige Werke des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts handelt. Geschickt hat Mareike Hennig die Werke nach Regionen, Motiven und Themen gegliedert.

Mehrfach begegnet man Bildern von Camille Corot, dem wichtigsten Vertreter der französischen Freilichtmalerei, auch als „Schule von Barbizon“ bekannt. Corot malte 1826/27 eine Landschaft nur skizzenhaft, um die Stimmung einzufangen. Massive Felsen dominieren das Bild, aber der Abendhimmel darüber schillert in allen Farben.

Weniger bekannt ist der deutsche Maler Ludwig von Löffzt, der sich in ein Fischernetz vertiefte. Diesem Faible für das Unscheinbare und Nebensächliche begegnet man oft in der Sammlung, etwa ein Bachlauf von Eduard Wilhelm Pose, ein Gartentor von Adrian Ludwig Richter, ein Kornfeld von Carl Blechen und ein Bootsschuppen von Carl Morgenstern. Alles wurde bildwürdig, was den Künstlern gefiel. Nicht zu vergessen August Kopisch, der 1826 die Blaue Grotte auf der Insel Capri entdeckte und noch zehn Jahre später ein faszinierendes Bild zwischen leuchtendem Blau und düsterer Höhle malte.

Die Ausstellung ist noch zu sehen bis zum 11. November. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.deutsches-romantik-museum.de

Freier Autor Als freier Kulturjournalist im Großraum Frankfurt unterwegs; Schwerpunkte sind bildende Kunst und Architektur. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie.

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