Buch

Satirischer zeichnerischer Blick auf Krisen und Katastrophen

300 Lacher für 14 Euro - das macht noch nicht einmal fünf Cent pro gezeichnetem Witz. Der Band „Beste Bilder 15. Die Cartoons des Jahres 2024“ nimmt Ampel-Dauerkrach, Trump und Co. aufs Korn

Von 
Christian Huther
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Lustig, aber politisch längst Schnee von gestern: Heiko Sakurai Karikatur ziert den Titel des Buchs „Beste Bilder 15. Die Cartoons des Jahres 2024“. © Lappan Verlag in der Carlsen Verlag

Kassel. Pech gehabt, das Cover des Jahrbuches ist schon Schnee von gestern. Oder ist es jetzt erst recht aktuell? Das mag jeder Betrachter selbst entscheiden: „Wie hübsch“, sagt eine junge Frau zur anderen Frau angesichts des Anblicks im Sandkasten vor ihnen, „die Kinder spielen wieder Ampel-Koalition“. Tatsächlich drischt ein Trio mit viel Gebrüll, aber auch mithilfe von Schippe, Besen und Eimer aufeinander ein.

Diese Szene hat Heiko Sakurai so passend gezeichnet und kommentiert, dass kein Unterschied zu sein scheint zwischen Familienalltag und Politikbetrieb. Alles nur ein kindischer Dauerzwist in der inzwischen gescheiterten Koalition aus SPD, Grünen und FDP, meint damit der Kölner Karikaturist. Die Zeichnung prangt auf dem Cover der besten Cartoons 2024, ein satirisch-ironischer Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr. Das ist schon Tradition seit 2010 - immer gibt es auf etwa 170 Seiten mehr als 300 Cartoons von rund 80 Zeichnern.

Schnell mal nachgerechnet für Sparfüchse: 300 Lacher für 14 Euro - das macht noch nicht einmal fünf Cent pro gezeichnetem Witz. Das Buch ist tatsächlich preiswert, erschienen bei Lappan, einem der führenden deutschen Verlage für das komische Gewerbe. Zeitgleich zeigt die Kasseler Caricatura-Galerie eine Auswahl aus dem Band bis 16. Februar (www.caricatura.de).

Passiert ist in diesem Jahr wieder genug in Politik, Wirtschaft, Technik, Sport und Kultur. Allerdings kommen weder Donald Trumps Wahltriumph noch das Ampel-Aus im Buch vor - dem frühen Redaktionsschluss fallen immer die Ereignisse der letzten zwei, drei Monate zum Opfer. Das ist bedauerlich, denn neu gewählte und erst recht just abgestrafte Politiker bieten gern Steilvorlagen für Cartoonisten. Die wiederum sind meistens unerbittliche Chronisten, mit dem Riecher für richtige Themen.

Blockaden gehörten zu den großen Aufregerthemen

Was waren also sonst 2024 die Aufreger-Themen? Natürlich die Blockaden von Klimaklebern und Bauern. Aber inzwischen erweist sich die Natur als eifrigster Aktivist und bedrängt zusehends unseren Alltag. Dorthe Landschulz bringt das auf den Punkt: „Blockieren da etwa wieder diese Klimaterroristen?!?“, nölt der Autofahrer. Aber seine Frau sieht aus dem Schiebedach die überflutete Straße, in der schon Autos treiben und antwortet: „Nein, diesmal ist es der Klimawandel höchstpersönlich“.

Nur unser Ex-Finanzminister will das nicht wahrhaben und fährt - sicherlich noch zu besseren Ampel-Zeiten - mit seinem schicken Porsche vor die Grünen-Zentrale und ruft keck bei röhrendem Motor nebst dicken Abgaswolken: „He, Grüne! 30 Grad im April, das ist für mich keine Klimakatastrophe, sondern bestes Cabrio-Wetter!“ Auch das hat Heiko Sakurai gezeichnet, der gern die Schwächen unserer Politiker gnadenlos aufspießt.

Ohnehin wird uns jetzt auch noch der sauer verdiente Urlaub in begehrten Ländern von den Einheimischen vermiest, da dort nicht nur die Wohnungen immer teurer werden. „Overtourism: Venedig schlägt zurück“ hat die Berliner Zeichnerin Kittihawk ihr Blatt betitelt, das einen kleinen Garten mit deutscher Flagge und einem Häuschen zeigt, auf dem „My home is my castle“ steht. Aber damit ist es vorbei, haben sich doch zwölf Italiener zum Faulenzen niedergelassen. Nur die deutschen Bewohner streiten erregt, was zu tun sei und wer die Initiative ergreift.

Die Pizzeria Gundula bietet „Pizza mit Steckrüben und Sauerkraut“

Und umgekehrt, die rigorose Remigration aller Zuwanderer, wie eine Partei meint? Hat arge Nachteile, zeigt das Duo Greser & Lenz an einer Straße mit Gaststätten, jetzt alle mit deutschen Namen und neuen Speisekarten. Die Pizzeria Gundula bietet „Pizza mit Steckrüben und Sauerkraut“ an, der Dönerladen von Friedrich-Wilhelm hat zu wenig Personal und verweist auf Selbstbedienung, die Taverne Thor lockt mit „Deutschem Sufflacki“ - na, wohl bekomm’s! Die Ossis wiederum hoffen laut Mario Lars bei der gewünschten Remigration auf genügend Bananen, wenn sie an der Reihe sind zur Rückkehr in die DDR.

Die deutschen Bürger bekommen also ihr Fett weg, nicht nur Politiker. Vor allem die Grünen müssen viel einstecken, die CDU wettert gegen Drogen, aber nicht gegen das ungehemmte Saufen - wie geht das zusammen? Derweilen berauscht sich die FDP am Autofahren. Und die AfD? Deren Kürzel wird jetzt endlich korrekt entschlüsselt: Die Partei ist keine Alternative für Deutschland, sondern eine „Alternative für Demokratiemüde“, meint Silvan Wegmann. Die Sorge um die Ukraine schließlich hat sich auf den Nahen Osten verlagert, der sich aber, so Klaus Stuttmann, als Labyrinth für alle erweist.

Inzwischen weiß auch der Nachrichtensprecher nicht mehr weiter: „Krise - Krise - Krise, und nun zum Wetter“, sagt er und fügt dann lapidar an: „Auch Krise“. Diese Zeichnung von Til Mette bringt die gesellschaftliche Großwetterlage auf den Punkt - hoffen wir auf bessere Perspektiven im Jahr 2025!

Info: „Beste Bilder 15. Die Cartoons des Jahres 2024“, hrsg. von Antje Haubner, Jana Legal und Dieter Schwalm. Lappan Verlag, 176 Seiten, 14 Euro.

Freier Autor Als freier Kulturjournalist im Großraum Frankfurt unterwegs; Schwerpunkte sind bildende Kunst und Architektur. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie.

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