Mrs. Weaver, in „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ haben Sie 2009 die Wissenschaftlerin Dr. Grace Augustine gespielt, die am Ende des Films stirbt. Nun schlüpfen Sie in der Fortsetzung „The Way of Water“ in die Rolle der 14-jährigen Kiri vom Ureinwohnervolk der Na’vi. Wie kam es zu diesem zweiten Auftritt als digitalisierte Filmfigur?
Sigourney Weaver: Als Jim Cameron und ich zum ersten Mal darüber sprachen, wollten wir etwas von der Neugier, der Offenheit und der Naturverbundenheit von Grace Augustine weiterleben lassen. Und so hat Jim die Figur eines Mädchens entwickelt, das ganz und gar in der Natur zuhause ist und nichts lieber tut, als mit ihrem Menschenfreund Spider durch den Urwald zu toben. Der enge Kontakt zur anderen Spezies ist ein wichtiger Teil in ihrem Leben. Im Verlauf der Geschichte sind Kiri und ihre Familie gezwungen, den Wald zu verlassen. Sie werden zu Flüchtlingen und müssen sich in einer komplett anderen Welt zurechtfinden.
Um auf der Leinwand als Fantasy-Gestalt auftreten zu können, mussten Sie mit dem sogenannten Motion-Capture-Verfahren in einem digital verlinkten Ganzkörperanzug arbeiten. Ist das nicht ein wenig befremdlich?
Weaver: Nein, im Gegenteil, ich habe die Arbeit mit dieser Technik als sehr interessant empfunden. Man steht in Anzug und Helm den anderen Schauspielern in einem großen, leeren Raum gegenüber, aber man vergisst schon bald die ganze Technik und sieht in sich und den anderen nur noch die jeweilige Figur. Es ist eine Arbeit, die allein auf gemeinsamer Vorstellungskraft basiert und sich auf das reine Schauspielen konzentriert. Und dann gibt es eben noch die Digitalkünstler, die auf meinem Spiel aufbauend die Kreatur erschaffen und dabei die Zartheit und Reinheit der Figur bewahren müssen. Sie geben der Figur den letzten Schliff. Als Schauspielerin muss man diesem gesamten Prozess vertrauen, aber das war alles in allem eine sehr befreiende Erfahrung für mich.
Vielseitige Schauspielerin
Sigourney Weaver wurde 1949 in New York geboren. 1974 schloss sie ihr Schauspiel-Studium an der Yale School of Drama ab.
Nach ersten Berufserfahrungen auf Theaterbühnen gelang ihr 1979 mit der Rolle der Ellen Ripley in Ridley Scotts „Alien“ der Durchbruch. Weitere Erfolge: „Die Waffen der Frauen“ (1988) oder „Gorillas im Nebel“ (1988).
2009 wirkte sie in einer der Hauptrollen in James Camerons „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ mit, der zum erfolgreichsten Film aller Zeiten wurde. Die Fortsetzung „The Way of Water“ soll am 14. Dezember in die Kinos kommen.
Weaver engagiert sich im Umwelt- und Klimaschutz. Sie ist verheiratet mit dem Regisseur Jim Simpson. kako
Wie haben Sie sich in die Rolle einer Vierzehnjährigen eingefühlt?
Weaver: Ich musste zurückgehen in meine eigene Zeit als Teenagerin, die nicht sehr glücklich war. Ich war mit elf Jahren schon 1,80 groß und unheimlich schüchtern. Auf der anderen Seite war ich aber auch sehr leidenschaftlich, wenn es um Ungerechtigkeit und Heuchelei ging. Kinder in diesem Alter sehen Dinge auf eine sehr gerade, direkte und ehrliche Weise. Diese extremen und widersprüchlichen Gefühle waren wichtig für meine Arbeit an der Figur. Ich habe auch ein paar High-School-Klassen besucht, um zu hören, wie die Stimmen von Mädchen in diesem Alter klingen. Das war eine große Bandbreite. Manche Mädchen hörten sich wie Kinder an, andere schon wie Erwachsene. Ich habe meine Stimme dann nur ein wenig höher gesetzt. Ich wollte nicht mit so einer Fake-Teenie-Stimme sprechen.
Worin unterscheidet sich das Leben einer Vierzehnjährigen heute von Ihrem eigenen Jugendleben?
Weaver: Den größten Unterschied machen wohl die allgegenwärtigen digitalen Kommunikationsgeräte und die sozialen Medien aus. Als ich 14 war, habe ich fast wie in einem Kloster gelebt. Ich war auf einer reinen Mädchenschule mit wundervollen Lehrerinnen, die alles gegeben haben, um uns eine gute Bildung zu ermöglichen. Für mich war es perfekt. Ich habe mich mit meinen Büchern in eine Ecke verkrochen, um ein paar Jahre später als Erwachsene wieder herauszukommen. Heute können sich Jugendliche mit vielen interessanten Dingen auseinandersetzen. Das ist toll für sie. Wahrscheinlich würden die wenigsten mit meiner Jugend tauschen wollen. Aber sie sind auch deutlich mehr prüfenden Blicken und den damit verbundenen Selbstzweifeln ausgesetzt. Das war schon immer Teil der Pubertät, aber durch die sozialen Medien findet das sehr viel stärker und im öffentlichen Raum statt.
Vor kurzem ist „Call Jane“ herausgekommen, in dem Sie eine feministische Aktivistin spielen, die sich Ende der 1960er Jahre über das damalige Abtreibungsverbot hinwegsetzt und sichere Schwangerschaftsabbrüche für betroffene Frauen organisiert. Mittlerweile hat der US-Supreme-Court das Gesetz zur Legalisierung von Abtreibungen nach fünfzig Jahren wieder aufgehoben. Wie blicken Sie angesichts solch eklatanter Rückschritte in die Zukunft Ihres Landes?
Weaver: Wir befinden uns gerade in einer Zeit der großen Abrechnung zwischen den liberalen Einstellungen, die in meinem Land während der letzten Jahrzehnte in Gesetze gegossen wurden, und den Leuten, die diesen Fortschritt stoppen wollen. In den USA wird gerade eine wichtige philosophische Schlacht ausgetragen. Aber mittlerweile fühle ich mich wieder ein wenig mehr ermutigt, durch das, was in jüngster Zeit mit den Midterm-Wahlen passiert ist. Ich bin mir sicher, dass das Recht auf Abtreibung wieder hergestellt und gesetzlich verankert wird. Aber es ist eine schwierige Zeit. Gerade auch für junge Menschen. Ich wüsste nicht, wie ich in diesem Alter mit all den Bedrohungen umgehen würde, denen unsere Welt heute ausgesetzt ist.
Science-Fiction-Filme sind immer auch Zukunftsvisionen, in denen die Gegenwart reflektiert wird. Was erzählt „Avatar – The Way of Water“ über unsere Zeit?
Weaver: Der Film zeigt, wie Menschen entwurzelt, in Kriege hineingezogen und von ihren Familien getrennt werden. Wie die Natur aus kommerziellen Interessen zerstört wird, weil die Menschheit immer noch nicht ganz verstanden hat, dass der Planet nicht allein ihr gehört. Es gibt eine Menge in diesem Film, worüber man als junger Mensch nachdenken kann.
Der erste „Avatar“-Film wurde seinerzeit als Retter des Kinos gefeiert. Nun ist das Kino nach der Pandemie erneut in der Krise. Glauben Sie, der kommerzielle Erfolg des lang erwarteten Sequels wird wieder so groß ausfallen?
Weaver: Ich habe keinen Zweifel daran, dass der Film gut laufen wird, weil er eine solch befriedigende Seherfahrung ist. Jim Cameron geht es ja nicht nur darum, dass seine Film technisch perfekt aussehen. Er will das Publikum mit seiner Story und den Figuren in den Film hineinziehen. Nach zwei Jahren auf Marvel-Diät hoffe ich, dass „The Way of Water“ das Publikum daran erinnert, dass es Filme mit guten Geschichten und vielschichtigen Charakteren verdient hat. Und in diesem Jahr sind schon sehr viele interessante Filme mit guten Storys herausgekommen. Ich glaube fest an die Zukunft des Kinos.
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