Film

Wille zum Erfolg und zur Zerstörung

Daniel Hoesls und Julia Niedemanns „Veni Vidi Vici“

Von 
Wolfgang Nierlin
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Olivia Groschler spielt in „Veni Vidi Vici“ mit. © Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion

Kaum hat der Radfahrer, schwer atmend und mit letzter Kraft, den Gipfel des Bergs erklommen, wird er aus dem Hinterhalt von Schüssen niedergestreckt. Der Schütze flüchtet mit dem Fahrrad des Getöteten und genießt zufrieden die Abfahrt. Er profitiert gewissermaßen von der Kraftanstrengung seines Opfers und liefert damit eine Metapher für das Verhältnis von Macht und Ohnmacht, Ausbeutung und Unterdrückung. In der nächsten Szene sieht man ihn inmitten einer feinen Gesellschaft, seiner Familie und Entourage, wie diese, in helle, weiße Freundlichkeit getaucht, ein Polo-Spiel verfolgt. In Zeitlupe und von Chormusik begleitet, gewinnt das Mädchen, das foult. Die 13-jährige Paula (Olivia Groschler) verteidigt als gelehrige Schülerin ihres machtbewussten, mörderischen Vaters Amon Maynard (Laurence Rupp) selbstverständlich und wie nebenbei aus dem Off ihre sozialdarwinistischen, menschenverachtenden Ansichten: „Ein Foul ist kein Verbrechen. Sich an Regeln zu halten, kann jeder. Dafür bin ich zu kreativ, und der Erfolg gibt mir recht.“

Die österreichischen Filmemacher Daniel Hoesl und Julia Niemann, die ihrer zynischen Gesellschaftssatire „Veni Vidi Vici“ ein Zitat der neoliberalen Vordenkerin Ayn Rand vorangestellt haben, lassen ihren ebenso bösen wie smarten Helden unter dem Stichwort „Creative Destruction“ dann auch folgerichtig von der schöpferischen Zerstörungskraft schwadronieren: „Was zählt, ist das, was sich durchsetzt.“

Es geht um den Verlust moralischer Wertmaßstäbe

Nach einer zweifelhaften Firmenübernahme ist der obszön reiche Investor, der nie arbeitet, gerade dabei, in schönster Natur eine Batteriefabrik zu planen. Unterstützt wird er von einer Rechtsaußenpolitikerin als Vertreterin eines „schlanken Staates“ sowie von einer willfährigen Hofberichterstattungspresse. Für seine Verdienste wird er ausgezeichnet. Und für seine „Work-Life-Balance“ fährt der Familienmensch, der keinem Tier etwas zuleide tun kann, ab und zu ins Grüne, um willkürlich Menschen zu erschießen.

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Obwohl ihm ein alter Jagdaufseher und ein Journalist auf der Spur sind, kann der siegesgewisse Maynard behaupten, er komme mit allem durch. „Warum lassen die Menschen sich das gefallen?“, fragt er kalt. Und diese Frage stellen die Filmemacher angesichts aktueller Entwicklungen, identifizierbarer Vorbilder und einer zunehmenden Konzentration von Macht und Geld in den Händen weniger auch an die Zuschauer. In präzise komponierten Bildern, mit schwarzem Humor und einer absurden Überzeichnung vermittelt ihr Film den Verlust moralischer Wertmaßstäbe sowie eine skrupellose Grausamkeit unter dem Deckmantel höflichen Benehmens und einer gesitteten, zugleich dekadenten Ordnung. Jeder und jede, scheint es, wird unter diesen Bedingungen des Raubtierkapitalismus instrumentalisiert. Der Film fordert seine Betrachter unmissverständlich dazu auf, sich zu wehren und aufzubegehren.

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