Zwölf Monate dauert der Erdumlauf um die Sonne, in dessen Bahn die Jahreszeiten entstehen und vergehen. Mit dem „Herbst“ fing das Stadtensemble des Nationaltheaters an zu erzählen - vom neuen Stadtteil Franklin, der in Mannheims Norden wächst und in dem auch das Schauspielhaus seine aktuelle Heimstatt, das Alte Kino, gefunden hat. Unweit davon wird nun das letzte Kapitel des Stadtensemble-Zyklus „Vier Jahreszeiten“ aufgeschlagen: der „Sommer“.
„Wir haben uns immer beschäftigt mit Fragen der Gemeinschaft, mit Fragen des Wirs“, beschreibt Ensembleleiterin Beata Anna Schmutz bei der Premiere die einjährige künstlerische Recherche vor Ort. Dabei sei immer „an der Schnittstelle zur Natur gesucht“ und mit vielen Vereinen, Initiativen und Menschen auf Franklin gesprochen und kooperiert worden. In den daraus entstandenen Performances ging es um Abschied („Herbst“), im „Winter“ wurde „unter die weiße Tabu-Decke geschaut“ und im „Frühling“ an „utopische Gemeinschaften gedacht“. Mit einem „Fest der Gemeinschaft“ und „vielen Fragen an diese Gemeinschaft“ werde der Zyklus nun abgeschlossen - und das geschieht just dort, wo schon der „Frühling“ spielte, neben der Schafherde, die der Verein Franklin-Community für natürlich urbanes Leben hegt.
Schmutz und Saremi führen Regie
Dort sind Decken ausgebreitet worden, auf denen das Publikum Platz nimmt, um mit einem neuerlichen Kollektiv konfrontiert zu werden: den Bienen, die „in einer perfekten kapitalistischen ArbeiterInnen-Gemeinschaft“ leben, wie Schmutz sagt, die „Sommer“ zusammen mit Nazli Saremi auch inszeniert hat.
Die Spielenden - Osama Albalkhi, Ravi Mehra, Henri Möhren, Viktoria Müller, Natice Orhan-Daibel, Ceyda Özcelik und Claudia Pflaum-Richter - verknüpfen die Texte von Autorin Seda Keskinkiliç gleichsam zu einem luziden, mehrschichtigen Wabengebilde. „Wir sind eine Gemeinschaft. Wir leben Solidarität“, wird da über das Biene-Sein gesagt. „Wir sind zusammen, wir arbeiten zusammen“.
Kinderchor singt
Das Ensemble bewegt sich durch das Publikum hindurch, Duft wird versprüht („Pheromone der Königin erhalten die Harmonie im Volk“) und der Kinderchor „Franklin singt“ - von Tom Schalipp an der Gitarre, Ronja Ohlig am Kontrabass und Frieda Ohlig an der Violine begleitet - stimmt zur Melodie von „Hejo, spann den Wagen an“ ein melancholisch-munter summendes Lied an („Bienen - wir sind Harmonie“). Auf Türkisch und Deutsch verhandelt das Ensemble mit durchdringender Intensität zugleich die „wilden Streiks“ von 1973, bei denen ausländische Arbeitskräfte für bessere Arbeitsbedingungen und gleiche Entlohnung protestierten.
Bei John Deere in Mannheim erfuhren die Streikenden dabei nicht Solidarität, sondern Gewalt: „Schlägergarden“ wurden „einem aggressiven Bienenschwarm gleich“ gegen die türkischen und italienischen Bandarbeiter ausgesandt, deklamiert ein Spieler.
„Es war wie 1933“, zitiert man die damaligen Stimmen alter Betriebsräte. „Wir werden die Revolution in den Bienenstaat bringen!“, skandiert eine Performerin schließlich, bevor - wie passend - der eingespielte Queen-Song „I Want To Break Free“ die Performance beendet und einen auf das nächste Projekt des Ensembles gespannt zurücklässt.
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