Kunst

Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt einen Poeten des Alltags

Er nutzt populäre Symbole für seine Kunst und hat jetzt in Frankfurt die größte Einzelschau in Deutschland: Die Schirn präsentiert den Schweizer Ugo Rondinone.

Von 
Christian Huther
Lesedauer: 
Blick in die Frankfurter Ausstellung. © N. Miguletz

Es ist alles ganz einfach. Ugo Rondinone verwendet Motive, die jedes Kind kennt: Sonne, Mond, Sterne und Regenbogen, Bäume, Clowns oder Türen. Der Künstler will viele Menschen erreichen und setzt auf die Kraft der Symbole: „Die Landschaften, die Clowns, die Bäume, die in meinem Werk vorkommen, sind wie ein Alphabet, zu dem alle einen Bezug haben“, so Rondinone. Dass der 58-jährige Schweizer hier die erste Überblicksschau in Deutschland hat, verwundert angesichts seiner populären Symbolik. Rund 80 Arbeiten aus 30 Jahren hat die Frankfurter Schirn zu einem Parcours versammelt, von der Nacht in den Tag, von der Dunkelheit ins Licht führend.

Gegensätze prägen Rondinones Werk, das oft auch Innen- und Außenwelt der Menschen zeigt – die freilich oft nachdenklich, fast melancholisch wirken. Aber zuerst entdeckt der Besucher den Regenbogen auf dem Dach der Schirn, der aus den Wörtern „life time“ (Lebenszeit) besteht. Von der Zeit und Vergänglichkeit kündet auch der Aluminiumabguss eines 2000 Jahre alten und über sechs Meter hohen Olivenbaumes vor dem Eingang. Tatsächlich kommt es einem vor, als stünde bei Rondinones Werk die Zeit für eine Weile still. Rodinone bespielt den kompletten Galerietrakt und damit, bis auf den großen Saal, alle Räume der Schirn. Das ist selten, denn die Kunsthalle zeigt immer parallel zwei Ausstellungen, denen man auch räumlich gerecht zu werden versucht. Rondinone ist also ein Schwergewicht der heutigen Kunst, obwohl alles so alltäglich und vertraut daherkommt, auch sehr stimmungsvoll. So kann man ihn als Poet des Alltags bezeichnen, im Gegensatz zu vielen Künstlern, die politisch arbeiten.

Die Räume in der Galerie sind wie die Erzählung eines 24-Stunden-Tages, beginnend mit der Nacht. Im ersten Raum blinken Sterne von wandfüllenden Bildern, ein Clown schläft auf dem Boden, eine schwarze Tür verlockt zum Öffnen – statt einer Klinke gibt es jedoch ein Vorhängeschloss. Der Zugang in eine andere Welt wird verwehrt.

Im zweiten Saal ragt eine riesige, gewölbte Wand aus Erde in den Raum, umspielt von 13 lebensgroßen Figuren, die herumsitzen oder -liegen. Die Frauen und Männer sind versunken in sich selbst. Rondinone hat sie nach lebenden Personen geformt, allesamt Tänzer; als Material diente ein Gemisch aus Wachs und Erdpigmenten. Die Figuren haben keine Haare, wirken durch die dunklen Töne fast wie Höhlenmenschen. Hier ist alles entschleunigt, auch vor den drei Uhren ohne Zeiger. Ruhiger und meditativer geht es nicht. Danach folgen Figuren aus Beton, Zeichnungen, Gedichte sowie Kurzfilme. Diese reißen Geschichten an, die sich in alle Richtungen entwickeln könnten. Entsprechend kann dies der Besucher tun. Im letzten Raum erstrahlt endlich Sonnenlicht, auch wenn zugleich eine Schneemaschine für Konfetti sorgt. Eine spielerische Schau, ganz anders als politische Kunst, die aufrütteln will.

Freier Autor Als freier Kulturjournalist im Großraum Frankfurt unterwegs; Schwerpunkte sind bildende Kunst und Architektur. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen