Zunächst war es nur ein Gerücht, seit Anfang Oktober ist aus der Spekulation tatsächlich eine heiß diskutierte Realität geworden: Ins Ketscher Schützenhaus ist ein russisches Restaurant eingezogen. Egal ob morgens beim Bäcker, beim Einkaufen in den Supermärkten, nachmittags bei Kaffee und Kuchen oder abends in den Kneipen: Das neue Gastronomie-Angebot ist das Gesprächsthema Nummer eins in der Enderle-Gemeinde.
Die Aussagen reichen von, „wie kann man in der heutigen Zeit, einem russischen Wirt ein Lokal verpachten“, über ein „die werden doch von Putin und der russischen Mafia gesponsert“ bis hin zu „die sind doch nur hier, um zu spionieren.“ Alteingesessene Ketscher erinnerten sich angesichts der Neueröffnung an die konfliktträchtigen „Russendisko“-Abende Ende der 1980er Jahre in der Rheinhalle, zu denen regelmäßig die Polizei anrücken musste. Die Skepsis führte sogar soweit, dass in einer Gemeinderatssitzung ein Besucher fragte, ob der neue Betreiber überhaupt eine Genehmigung habe.
Inhaberin Viktoria Ikkert, die mit ihrer Familie seit mehr als 20 Jahren in der Gastronomie arbeitet, überraschen die Vorbehalte der Menschen auch angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht. Die 50-Jährige war darauf vorbereitet, dass sie und ihre Familie mit Vorurteilen der unangenehmen Art starten würden. „Auch unser Vermieter, der Ketscher Schützenverein, war am Anfang skeptisch. Dafür hatten wir auch Verständnis“, sagt sie und ergänzt direkt: „Oft klären sich die Dinge aber auch auf, wenn man miteinander spricht.“
Familie lebt seit mehr als 30 Jahren in Speyer
Torsten Niedermeyer, Erster Vorsitzender der Schützengilde bestätigt Ikkerts Worte. „Unsere Vorbehalte waren schnell beseitigt“, sagt er. Was auch daran lag, dass die neuen Pächter ein hohes finanzielles Risiko eingingen und alleine für den Umbau des muffigen und in die Jahre gekommenen Schützenhauses einen sechsstelligen Betrag investierten. „Es ist schon beeindruckend, wie schnell sie das alles umgesetzt haben, wie gut es geworden ist und wie positiv das Angebot angenommen wird“, sagt Niedermeyer und ergänzt: „Wer noch skeptisch ist, soll am besten einfach mal vorbeischauen und es ausprobieren.“
In der Tat lösen sich viele Vorurteile bei genauer Betrachtung in Luft auf. So leben Ikkert und ihre Familie mittlerweile seit rund 30 Jahren in Speyer, alle sind deutsche Staatsbürger und distanzieren sich von jeglicher Form kriegerischer Aggression. „Wir wollen unsere Gäste mit unserem Konzept überzeugen“, sagt sie und zeigt auf das Buffet, das für den Mittagstisch aufgebaut wurde: „Unsere Küche vereint das Beste aus der deutsch-osteuropäischen Küche – mit authentischen Rezepten aus Russland, der Ukraine und dem Kaukasus.“
Osteuropäische Spezialitäten und deutsche Klassiker im Angebot
Osteuropäische Spezialitäten wie Soljanka, Borschtsch und Wareniki werden mittags genauso regelmäßig aufgetischt wie deutsche Klassiker wie Schmorbraten oder Schnitzel. „Bei uns ist für jeden etwas dabei“, sagt Ikkert und verweist darauf, dass sie bereits nach vier Wochen Stammgäste hat, die mindestens einmal in der Woche zum Mittagessen vorbeikommen. Für 13 Euro gibt es von Dienstag bis Freitag den Mittagstisch mit Vorspeise, Hauptgericht, Nachtisch – und das alles so oft, wie der Appetit es zulässt.
Am Wochenende wird das Angebot mit Themenabenden und erweitertem Buffet ergänzt – inklusive Showprogramm, Live-Gesang und LED-Tänzerinnen. Die rund 150 Plätze sind begehrt: Samstags ist das Restaurant aktuell einen Monat im Voraus ausgebucht. Auch für Vereinsfeiern, Hochzeiten und andere Familienfeiern ist das Kalina gerüstet. Daniel Ikkert (27), der die Events koordiniert, freut sich auf die Abendveranstaltungen ganz besonders. „Da präsentieren wir Kultur und kulinarische Spezialitäten aus ganz Osteuropa und bringen sie den Menschen hier näher.“
Auch auf Social Media findet das Angebot übrigens großen Anklang. Das Restaurant hat über 80.000 Follower auf Instagram, TikTok und Facebook. Negativen Kommentare auf Internet-Bewertungs-Plattformen begegnet das Kalina-Team, das damit bereits in seiner vorherigen Location in Speyer konfrontiert wurde, mit Gelassenheit. „Wir lassen uns von Vorbehalten und Skepsis nicht aufhalten und tun unser Bestes, alle Skeptiker mit Qualität vom Gegenteil zu überzeugen“, sagt Daniel Ikkert.
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