Das Porträt

Der Speyerer Arno-Reinfrank-Preis geht an Anja Kampmann

Die Autorin Anja Kampmann verschmilzt Welten, indem sie Themen wie Umweltzerstörung und Globalisierung in ihren Gedichten und Romanen verwebt. Nun erhält sie den Arno-Reinfrank-Literaturpreis der Stadt Speyer

Von 
Uwe Rauschelbach
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Laut Jury „eine der begabtesten Autorinnen deutscher Sprache der mittleren Generation“: Anja Kampmann. © Sebastian Willnow/dpa

Anja Kampmann, die an diesem Mittwoch mit dem Arno-Reinfrank-Literaturpreis 2024 der Stadt Speyer ausgezeichnet wird, verfügt über viele Talente. Keine ungünstigen Bedingungen für eine Autorin, die sich zunächst mit Gedichten einen Namen gemacht hat. Inzwischen wurden Kampmanns Werke in sechs Sprachen übersetzt, auch der letzte Lyrikband erscheint in diesem Frühjahr in italienischer Übersetzung. Der mit 5000 Euro dotierte Literaturpreis ist nur eine von mehreren Auszeichnungen, die die Erfolgsgeschichte der 1983 in Hamburg geborenen Autorin illustrieren. In Gedichtbänden wie „Proben von Stein und Licht“ (2016) und zuletzt „Der Hund ist immer hungrig“ (2021) erkundet sie unter anderem das Verhältnis des Menschen zu einer von Zerstörung bedrohten Umwelt.

Lyrik als Ausdruck des Unbehaustseins in einer modernen Welt? „Da greifen Sie auf einen arg großen Topos zurück“, stutzt Kampmann hochfliegende literarische Deutungen im Gespräch zurecht. Als typisch moderne Wahrnehmung will sie die Vermutung schon gar nicht gelten lassen. Sich selbst verortet die Lyrikerin keineswegs im Elfenbeinturm. Der Kontakt zu ihren Leserinnen und Lesern ist ihr wichtig, wie sie betont. Lesereisen nutzt sie gerne, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen.

Ihre Gedichte wollen beides zusammen betrachten: die dann doch eher zeitgenössische Erfahrung einer versehrten Natur. Aber auch das Schöne, das aus ihr noch immer hervorgeht. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, die Eingriffe in die Biologie durch Gentechniken sind weitere Phänomene, mit denen sich das lyrische Ich in diesen Gedichten auseinanderzusetzen hat.

Prosa und Lyrik in Symbiose

Die Prosa ist für Anja Kampmann keineswegs Nebensache, ihr Debütroman von 2018 ist international gefeiert worden: In „Wie hoch die Wasser steigen“ verliert ein Arbeiter auf einer Öl-Bohr-Plattform in einer stürmischen Nacht seinen einzigen Freund. Nach dessen Tod bringt er dessen Sachen zur Familie nach Ungarn. Doch dann steht er vor der Frage: Wie findet man nach einem solchen Ereignis wieder ins eigene Leben? Kampmann wagt einen Blick auf die globalisierte Arbeitswelt der Gegenwart. Der Roman war Finalist des National Book Awards in den USA, neben dem Pulitzer Preis einer der größten Literaturpreise in den Staaten.

Prosa und Lyrik sind für Anja Kampmann keine getrennten Genres, sondern befruchten sich gegenseitig. Lyrische Spuren finden sich im Roman, während die Gedichte durchaus auch erzählend sind. Während sie über ihrem ersten Lyrikband gesessen sei, habe sie nebenher auch an ihrem Roman gearbeitet, schildert die in Leipzig lebende Autorin, die sich gerne offline in ihren „Schreibraum“ zurückzieht. 2025 wird ein zweiter Roman erscheinen, der in ihrer Heimatstadt Hamburg vor dem zeitgeschichtlichen Horizont der 1930er Jahre spielt.

Von der Jury des Arno-Reinfrank-Preises wird Kampmann als „eine der begabtesten Autorinnen deutscher Sprache der mittleren Generation“ gewürdigt. Die Laudatio im Historischen Ratssaal der Stadt hält der Literaturreferent im rheinland-pfälzischen Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration, Michael Au. Der Literaturpreis wird in Erinnerung an den Schriftsteller Arno Reinfrank vergeben.

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