Berlin. Der Schweizer Schriftsteller Peter Bieri, der unter seinem Aliasnamen Pascal Mercier international bekannt wurde, ist tot. Das teilte der Carl Hanser Verlag am Dienstag mit. Der Autor, der mit seinem 2004 erschienenen Roman „Nachtzug nach Lissabon“ zum Bestsellerautor geworden war, wurde 79 Jahre alt. Er starb nach Angaben einer Verlagssprecherin in Berlin, wo er zuletzt wohnte. Der Autor war unter seinem Geburtsnamen auch als Philosoph bekannt. Er war bis 2007 Professor an der Freien Universität Berlin. Studiert und gelehrt hatte er unter anderem auch in Heidelberg, wohin er 2008 zurückkehrte, um die Poetik-Dozentur zu übernehmen
Mit „Nachtzug nach Lissabon“ gelang Pascal Mercier ein Welterfolg. Allein auf Deutsch wurde das Buch millionenfach verkauft. Der Roman um einen Altphilologen und Gymnasiallehrer, der nach einem besonderen Lektüreerlebnis aus dem eingefahrenen Trott ausbricht und sich auf eine abenteuerliche Sinnsuche begibt, wurde nach Verlagsangaben in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Die Verfilmung von Bille August kam 2013 ins Kino. Hauptrollen spielten darin Bruno Ganz und Jeremy Irons.
Bieri, der 1944 in Bern geboren wurde, veröffentlichte unter seinem Pseudonym fünf Romane. Den Künstlernamen habe er allein wegen des französischen Klangs gewählt, sagte er einmal, denn die französischsprachige Schweiz habe er immer als liberaler empfunden. Der letzte Roman, „Das Gewicht der Worte“, erschien 2020. Seine literarischen Werke waren oft mit seiner philosophischen Arbeit verflochten. Er schrieb einige philosophische Bücher für ein breiteres Publikum, darunter „Das Handwerk der Freiheit“ (2001) und „Eine Art zu leben: Über die Vielfalt menschlicher Würde“ (2013), die allesamt eine sehr positive Aufnahme fanden.
In seinem belletristischen Werk geht es ebenso um die menschliche Endlichkeit und Freiheit wie um Liebe und andere Grundfragen der Existenz. In ruhigem Erzählton breitete er sie vor dem Lesepublikum aus. Seine Berliner Lehrtätigkeit beendete er vorzeitig, um damit auch gegen die nach seiner Auffassung einseitig am Nutzwert akademischer Ausbildung orientierte Hochschulpolitik zu protestieren.
Hanser-Verleger Jo Lendle würdigte Bieri als einen Autor, der gezeigt habe, „wie sich Gedanken und Geschichten gegenseitig beflügeln: Der Philosoph hat vom Erzähler gelernt - und umgekehrt bringen seine Romane die großen Menschheitsfragen zum Leben.“ Bieris Lektor Tobias Heyl nannte ihn einen „sprachgewaltigen Autor“, der das Schreiben und Lesen „auf eine Art und Weise ernst nahm, die manche Menschen verwunderte“.
„Erfahrung vergegenwärtigen“
Bieri, der mit einer Malerin verheiratet war, blieb trotz des Erfolgs ein bescheiden auftretender, ernst wirkender und insgesamt zurückhaltender Mensch. Selbstverständlich war er hochgebildet und ein sehr kultivierter Gesprächspartner. Vieles in der Gegenwart empfand er als „hohl“ und „grell“. Es gehe ihm als Autor um „die Vergegenwärtigung menschlicher Erfahrung“, hat er im Interview mit dieser Redaktion einmal gesagt. In seinen genau analysierenden und sprachlich präzisen Büchern lässt er keinen Zweifel daran, dass er diese Absicht auch wirklich zu werden vermochte. (mit dpa)
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