Ich muss es zugeben: An mir gehen Modetrends stets vorüber. Jeans und dunkles T-Shirt oder ein Hemd in gedeckten Farben reichen mir. Jetzt aber hätte ich beste Chancen gehabt, mir den neuesten Look anzueignen. Denn das passende Outfit lag bei mir zu Hause herum – ungenutzt, bis ich es im Müllsack entsorgte. Weil ich ein Fashion-Ignorant bin, hatte ich keine Ahnung, dass nun Langarmhemden mit Rissen in den Ärmeln angesagt sind. Bis mir die Tochter einer Freundin erklärte, der „used look“ sei nun der letzte Schrei. Ich hatte drei Hemden, oft getragen und gewaschen, mit richtig schön zerrissenen Ärmeln. Nie wäre ich darauf gekommen, damit auf die Straße zu gehen. Die gleiche Modesünde habe ich schon in den 1990ern begangen, als ich meine alten zerfetzten Jeans wegwarf – und dann kamen die „ripped Jeans“.
Na ja, Modemuffel bleibt halt Modemuffel. Vor Jahren hatte ich mal einen trendbewussten Bekannten damit aufgezogen, er habe sich sein verranztes Jackett wohl bei einer Altkleidersammlung besorgt. Bis der mir erklärte, die vielen losen Fäden an der Jacke seien todschick, sie stamme vom Designer Kenzo. Vielleicht habe ich aber doch noch gute Chancen als Fashion-Avantgardist. Meine älteste Jeans ist mitten im Schritt acht Zentimeter weit aufgerissen. Ich traue mich nicht, sie anzuziehen, da ich befürchte, ein öffentliches Ärgernis zu erregen. Aber ich frage mal bei Textil-Labels an, ob eine solche Buxe mit Durchblick nicht ein toller Werbeträger wäre für Unterhosen von Calvin Klein & Co. Ich finde ja, meine Jeans sieht viel besser aus als all die Hüfthosen, die uns das Mauerer-Dekolleté beschert haben. Georg Spindler
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Zeitzeichen Modemuffel
Von „used look“ bis „ripped Jeans“ – unser Kolumnist ist nicht ganz up to date, was Modefragen angeht. Einen Trend setzt er aber vielleicht noch.