Kritik an der deutschen Justiz und ihren Gerichten ist Geschmackssache, wenn auch nicht verboten. Und immerhin hat so ein „Rechtssubjekt kraft Hoheitsakt“ als Körperschaft des öffentlichen Rechts ja auch rein körperlich meist alles, was es braucht: Hand und Fuß, Leib und Magen, Sinn und Verstand, ein waches Auge und Gespür. Nun ja, die Dinge ihrem Kern nach „im Sinne des Gesetzes“ zu prüfen, ist hier vornehmste Aufgabe. Eine, die somit ganz bewusst weg ist von Äußerlichkeiten, Moden, Zeitgeist oder weltanschaulich-ästhetischen Meinungsverschiedenheiten.
Soweit so gut - aber schlecht für die Firma Birkenstock, deren Kunst- und Markenstreit unlängst öffentlichkeitsbreit zu deren Ungunsten entschieden wurde. Die Gesundheitslatschen sind laut Bundesgerichtshofurteil keine Kunst und deren Nachahmung somit nicht urheberrechtlich geschützt. Majestätsbeleidigend kann man da nur rufen: Quatsch!
Was der Teufel zu Hause so trägt
Wer modisch nur die kleinste Spur auf dem Damm ist, weiß, dass Birkenstock ikonisch sind. Auf 200 Meter kann man feststellen: „Die trägt Birkenstock!“ Sogar die Modellnamen sind unter ganz gewöhnlichen Trägern geläufig. Wenn von „den Gizeh“ in Leder, „die Madrid“ in Schwarz die Rede ist, weiß eine ganze Reihe von Menschen weltweit Bescheid. Ist so, liebes Karslruhe. Der Teufel mag Prada tragen, aber für „dehäämrumm“ trägt er im Sommer „Arizona“ und im Winter „Boston“. So sieht‘s aus, liebe Staatsjuristen. Seit 1983 lassen die renommiertesten Designer selbst Anzug-Models in den kultigen Sanitätshauslatschen auftreten. Warum wohl? Und wer hat das rheinland-pfälzische Label gekauft? Richtig, eine Tochtergesellschaft des Konzerns LVMH, in dessen Abkürzungsreigen Louis Vuitton den Anfang macht. Warum wohl? Weil die Dinger über Bequemlichkeit und Hässlichkeit irgendwann kultig schön und wiedererkennbar wurden. Das ist Warhol, jenes ist Birkenstock. Diesen Vorgang, dieses performative Kunststück nennt man Kunst.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Zeitzeichen Watschen für die Latschen
Unser Kolumnist kann es nicht fassen: ein verspätetes Plädoyer für die Birkenstock-Sandale.