Kolumne #mahlzeit

Wie Leni und Heidi Klum für Intimissimi an der Straße stehen

Ist es nicht nah an Kinderprostitution, fragt Caro (rhetorisch), wenn sich ein Mädchen mit Schlauchbootlippen in Dessous-Werbung all den Männern in ihren Autos am Straßenrand so knapp bekleidet anbiedere - in eleganter Spitze?

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Ich hab’ es echt nicht leicht“, stöhnt Caro, die ein Gossip-T-Shirt anhat mit der fetten Beth Ditto drauf, die der hochschwangeren Alya hier am Tisch ordentlich Konkurrenz macht. „Ich radle jetzt jeden Morgen an einer frauenfeindlichen Litfaßsäule vorbei.“ Sie beißt in einen giftgrünen Apfel und verzieht das Gesicht.

„Wie?“, fragt Alya. Caro erklärt (ausnahmsweise mit Humor), dass sie ja „schon tolerant“ sei und an allem möglichen und auch gern an Greti und Pleti vorbei radeln würde: „Aber auf meiner Tour zur Arbeit starren mich immer Heidi und Leni an.“ Bei Alya fällt der Groschen: „Ach so, du meinst die Klums im Dessous-Doppeldecker.“ Ob es nicht nah an Kinderprostitution sei, fragt Caro (rhetorisch), dass sich ein Mädchen mit Schlauchbootlippen all den verkommenen Männern in ihren heißen Vorstadtpanzern (die auch auf SUV oder CO2-Puff hören) am Straßenrand so knapp bekleidet anbiedere – in eleganter Spitze in Makramee-Optik? „Du bist ja nur neidisch auf ihren Körper“, so Alya. Caro prustet los: „Was die an Masse auf der Brust hat, ist bei mir halt im Hirn gelandet!“ Okay …

Ich kenne die Plakate und finde sowieso unanständig, dass Halbnackige so überlebensgroß in der Gegend rumhängen und uns ihre Körper(vor)teile entgegenstrecken. Ich habe recherchiert. Immerhin ist Heidis Leni, auch wenn sie so aussieht, kein Kind mehr. Sie wurde, im Beisein von Großmutter Erna, anno 2004 am 4. Mai um 3.21 Uhr im Big Apple geboren – und somit also gestern schon 19 Jahre alt. Damals postete die Heidi für die Leni: „Obwohl ich mit meinen 3750 Gramm schon schwer bin, hatte ich es eilig, da zu sein. Alle waren der Meinung, ich sei mit meinen langen Haaren schon ein schönes Kind. Ich bin hingegen heilfroh, dass an mir alles dran ist und ich mich schon lautstark zu Wort melden konnte.“ Mein Gott: Die Frau verdient ihr Geld halt nicht mit dem Kopf …

„Wells, Sex sells“, reimt Alya, das dürfe man halt nie vergessen, sie gehe auch jede Wette ein, dass es die Männer sind, die die Teile ihren Frauen kaufen (Alya: „Die sind ja keine Tiefkühlpizzen“). Sie finde das okay. Caro aber regt sich auf und erklärt, es sei alles unlogisch, denn die italienische Unterwäsche von Sandro Veronesis Gruppe Calzedonia täusche schon allein mit dem Label Intimissimi höchste Intimität vor, lege aber maximale Öffentlichkeit an den Tag. „Schon mal das Wort Freiheit gehört, Caro?“, fragt Alya. Caro erklärt, dass die gesellschaftliche Befreiungsgeschwindigkeit viel zu hoch sei und es deshalb auch die ganze Anti-Agitation gebe: „Sind unsere Körper und Triebe erst mal auf einer hohen Geschwindigkeit befreit, dann entziehen sie sich der Gravitation und also der Umlaufbahn von Bedeutung. Sie verlieren dann auch ihre Aura.“

Alya sagt: „Äh! Ich glaube, ich muss mal eine Pause einlegen, in der man die Leere meines Kopfes wabern hört.“ Es kehrt Stille ein. Doch statt das Wabern in Alyas Kopf zu hören, hört man einen Schrei. Alyas Schrei. „Ich glaube, wir brauchen einen Krankenwagen. Schnell! Das Baby kommt.“ Auch daran ist ein Mann schuld – wie eigentlich (fast) an allem Männer schuld sind. Stimmt wirklich!

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