Kolumne Zeitzeichen

Wie mit der Buga23 eine Utopie Wirklichkeit wird: blühende Landschaften

Kolumnist Stefan M. Dettlinger bewundert, wie die Weltmetropole MA sich anlässlich der Bundesgartenschau auf einem Streifen von 600 Metern Breite gerausputzt - aber: Wie wird das alles wieder zurückgebaut, wenn alles vorbei is?

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Was nie ging, plötzlich funktioniert es. Ein prächtiger Stadtstreifen breitet sich aus. Blumen blühen. Bäume wachsen so schnell wie Betonpfeiler und Mauern aus dem Boden. Achterbahnartige Radwege, auf denen Räder über Jahrzehnte mit Sicherheit zu Achtern wurden, sind zu planen Flächen asphaltiert worden, über die man geräuschlos und ohne Bandscheibenvorfälle gleiten kann. Plötzlich werden sogar dreckige Verkehrsinseln begrünt. Kurzum: Es passiert, was alle immer wollten und nie ging.

Juhu, die Stadt wird schöner, liebreizender und, ja, fast ein Nanopartikelchen romantischer – ein Wort, das im nüchternen Mannheim eigentlich bei Todesstrafe verboten ist. Eigentlich. Doch das war einmal.

Der utopische Romantikstreifen kann andächtig aus der Gondel der Seilbahn betrachtet werden. Die Seilbahn ist auch neu, glänzt und führt direkt auf die mit Macht auf uns zurollende Bundesgartenschau im Weltzentrum MA. Utopie wird Wirklichkeit. Die Stadt denkt über sich hinaus, ihr Bewusstsein zeigt sich nicht nur als Produkt ihres Seins. Es ist – ganz neu – plötzlich mit einer Art euphorischem Überschuss ausgestattet, und der hat freilich nichts mit höheren Steuereinnahmen zu tun, sondern mit einem neuen Lebensgefühl, das seinen Ausdruck nicht nur in sozialen, ökonomischen und religiösen Utopien findet, in bildender Kunst, in Musik und irgendwelchen Tagträumen, sondern auch in Botanik und Straßenbau. Toll. Auf dem 600 Meter breiten Streifen (300 Meter rechts und links der Gondel) putzt die Weltmetropole sich heraus und offeriert blühende Landschaften rund um teils doch etwas vermoderte Kleingärten mit zerfledderten Deutschlandflaggen.

Die Ersten fragen sich jetzt aber, was ab 8. Oktober geschieht, wenn alles vorüber ist. Wie wird das alles wieder zurückgebaut? Besonderes Augenmerk gilt dabei den Radwegen. In der Implementierung der für Mannheim so charakteristischen Unebenheiten (auch Schlaglöcher genannt), die längst Unesco-Welterbe sind, hat das Baudezernat noch keine Erfahrung. Vielleicht überlässt man einfach alles wieder dem Lauf der Zeit. Davor hat das ja auch gut geklappt. S tefan M. Dettlinger

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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