Wie haben Sie es mit der Krönung von Charles III. gehalten? Doch reingeschaut – bei einer Tasse Earl Grey, wie ihn Königin Elizabeth II. immer trank? Mit oder ohne Tee: Es war schwer, sich diesem Ereignis zu entziehen. Es folgt einer jahrhundertealten Tradition, die nach dem Wunsch des neuen Monarchen etwas bescheidener und viel musikalischer ausgefallen ist als die Krönung seiner Mutter. Aber sie wirkte trotzdem wie ein aus der Zeit gefallenes Schauspiel. Es steckt voller Rituale – faszinierend pompös, im Mittelalter verwurzelt, eigenwillig anachronistisch und sehr britisch. Es gibt eine verbindende Kraft, die von der Tradition ausgeht und einen Teil des britischen Selbstbewusstseins ausmacht. Deshalb war die Krönung auch ein Tag der Selbstvergewisserung.
Zumal die letzte lange her ist: Als der jungen Elizabeth am 2. Juni 1953 die St.-Edwards-Krone aufs Haupt gesetzt wurde, war sie 27 Jahre alt. Die Bilder, die aus der Kirche um die Welt gingen, waren noch schwarz-weiß. Charles war damals vier Jahre alt – alt genug, um an der Krönung teilzunehmen, hatte die junge Mutter damals entschieden. Von Charles weiß die Welt, dass sie die kostbare und mehr als zwei Kilogramm schwere Krone schon am Vorabend ihrer Krönung trug, als sie ihre Kinder ins Bett brachte. Sie übte schon mal. Charles erinnert sich auch, dass er in der Nacht nicht schlafen konnte, weil die Menschenmenge draußen nach Elizabeth rief: „We want the Queen!“
Derartige Euphorie war 70 Jahre später im Regen von London nicht zu spüren. Queen Elizabeth II. wurde geliebt, King Charles III. wird geachtet. Sie garantierte jahrzehntelang Stabilität und Zuversicht. Er wird Mühe haben, nicht als Übergangskönig in die Geschichte einzugehen, die Rolle von William und Kate einzuhegen. Mit seinen 74 Jahren ist er im besten Rentenalter. Doch davon will Charles nichts wissen, er hat zu lange warten müssen auf diese Aufgabe und versucht, die Traditionen zu wahren und trotzdem einiges anders zu machen. Das ist in einem Korsett aus Regeln und Protokollvorgaben, das kaum Luft zum Atmen lässt, schon sehr ambitioniert.
Doch er hat gut angefangen. Die Kritik an seinem angeblich herrischen Umgangston ist verflogen, er absolviert seine Termine sicher, er trifft den richtigen Ton, gilt als nahbar, umarmt seine Untertanen sogar, was gut ankommt und für Queen Elizabeth undenkbar gewesen wäre.
Seine Popularität ist gewachsen. Nach neuesten Umfragen mögen 55 Prozent der Britinnen und Briten ihren König, 17 Prozent lehnen ihn ab. Die Royalisten haben den Umfragen zufolge eine Zweidrittelmehrheit. Doch die kommt vor allem durch die älteren Untertanen zustande. Je jünger die Befragten sind, desto kritischer stehen sie der Monarchie gegenüber.
Der König weiß, dass die Monarchie sich ändern muss, wenn sie überleben will. Das ist eine schwere Bürde, aber auch eine Chance. Es reicht nicht, die traditionellen Seidenstrümpfe, die die Monarchen vor Charles bei der Krönung trugen, abzulegen. Die Modernisierung darf nicht nur an der Oberfläche kratzen. Charles hat Transparenz bei den königlichen Finanzen versprochen, er sollte Taten folgen lassen.
Sein Königreich steckt in einer tiefen Krise. Aber es ist stolz und stark, bunt, divers und interreligiös. Das zeigte auch die Krönung, bei der erstmalig ein Gospelchor sang, Vertreter anderer Religionen eingeladen waren. Wenn Charles es schafft, ein König für alle zu sein, kann er auch die jungen Menschen erreichen und mehr sein als das Oberhaupt einer Familie, die vor allem teuer ist und die Klatschspalten füllt.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Charles III. kann ein König für alle sein
Gudrun Büscher sieht in der Krönung von Charles III. eine Chance für die Monarchie - wenn er auch junge Menschen erreicht. Die Modernisierung darf nicht nur an der Oberfläche kratzen. Ein Kommentar