Meinung Das Desaster in Afghanistan war nicht die Schuld der Deutschen

Jörg Quoos zum Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan

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Jörg Quoos
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Der 26. August 2021 wird in die deutsche Geschichte eingehen. Es ist der Tag, an dem die deutschen Soldaten Afghanistan verließen. Beim Blick durch die Fenster ihres A400M werden die Soldaten noch die Menschentrauben gesehen haben, die seit Tagen verzweifelt vor den Flughafentoren ausharren und jetzt auch noch Ziel eines furchtbaren Anschlags wurden. Egal welche Terroristen die Bomben zündeten – sie wollten dem Engagement des Westens einen blutigen Schlusspunkt setzen. Ihre Botschaft an das Volk lautet: Wer die Seite wechselt, ist des Todes. Und an die Adresse der internationalen Gemeinschaft heißt es: Wir sind die neuen Herren Afghanistans. Was für ein bitterer Abgang für eine Truppe, die 59 Kameraden bei dem Einsatz für dieses Land verloren hat.

Das Desaster ist schon vielfach beschrieben worden. Aber man muss bei aller Kritik zwei Dinge trennen. Das Scheitern einer geordneten Rettung der Helfer und das Scheitern der militärischen Mission mit dem Versuch eines „Nation Buildings“ am Hindukusch.

Für das Rettungsdebakel muss sich unsere Regierung schämen. Es war kein Wunder, dass sich die Kanzlerin bei ihrer Regierungserklärung nicht dafür entschuldigt hat. Ein solcher Fehler, der Menschenleben kostet, ist unverzeihlich. Das wird Angela Merkel in ihrem tiefsten Inneren gespürt haben. Dieses Versagen trifft zuallererst die Afghanen, die von einer kalten Bürokratie sprachlich zu „Ortskräften“ degradiert wurden. In Wahrheit waren die Dolmetscher und Ausbilder unsere Verbündeten, von denen man viel zu viele jetzt schändlich im Stich lässt.

Aber auch die Bundeswehr und der Ruf der verlässlichen Deutschen leiden. Wer wird beim nächsten Auslandseinsatz der Bundeswehr den Soldaten helfen, wenn man diesen Job am Ende mit dem Leben bezahlt?

Das Scheitern der Mission selbst ist nicht weniger bitter, aber nicht die Schuld von Amerikanern, Deutschen oder anderen, die versucht haben, das Land in eine bessere Zukunft zu begleiten. US-Präsident Joe Biden hat es dieser Tage auf den Punkt gebracht: „Amerikanische Truppen können und sollten nicht in einem Krieg kämpfen und sterben, den die afghanischen Streitkräfte selbst nicht zu kämpfen bereit sind.“

Das gilt auch für die Bundeswehr, die 6000 Kilometer entfernt von der Heimat wirklich alles gegeben hat. Wenn 300 000 ausgebildete und bewaffnete Soldaten ihren Staat nicht schützen wollen, warum sollen es die Deutschen dann tun?