Kommentar Die Probleme der Spargelbauern: Ein kaputtes System?

Einerseits lässt sich Spargel kaum kostendeckend verkaufen, andererseits haben die Erntehelfer einen Monat zu früh genug verdient – das macht doch keinen Sinn!

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Kommentar von
Noah Eschwey
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Mit dem Hof Fackel-Kretz-Keller endet eine Ära in der Spargelstadt – oder endet sogar die Ära der Spargelstadt? Nun wollen wir mal nicht schwarzmalen. Noch gibt es genug Spargelhöfe in und um Schwetzingen. Allerdings lassen die Schilderungen von Elfriede Fackel-Kretz-Keller einen ratlos zurück. Wie passt es zusammen, dass Spargel einerseits so günstig ist, dass die Höfe kaum kostendeckend arbeiten können, aber die Erntehelfer andererseits schon einen Monat früher „genug verdient“ haben?

Dass es Bauern in Deutschland mittlerweile schwer haben, ist bekannt. Und auch für die Spargelspezialisten ist es nicht leichter – internationaler Wettbewerb, saisonales Überangebot und die Marktmacht der Supermarktketten drücken die Preise. Die Produktionskosten hingegen steigen. Natürlich wegen der Inflation, dem Ukrainekrieg und all den anderen komplexen Problemen einer Industrienation der aktuellen Zeit. Weniger komplex, dafür aber umso entscheidender, sind aber vor allem die gestiegenen Lohnkosten. Wenn diese nicht auf den Produktpreis umgehoben werden, ist kostendeckendes Arbeiten nicht mehr möglich.

Nun könnte es darum gehen, dass der Mindestlohn dann offensichtlich zu hoch ist – sonst könnten es sich die Erntehelfer ja nicht leisten, einen Monat vorher die Arbeit niederzulegen. Wenn wir es dann aber ausrechnen, hat eine Person, die Vollzeit für Mindestlohn arbeitet, ungefähr 1.600 Euro netto übrig. Miete, Nahrung, Klamotten und gesellschaftliche Teilhabe abgezogen, bleibt ihr fast nichts – zumindest in Deutschland.

Ausländische Erntehelfer nicht nach dem bestehenden Mindestlohngesetz zu bezahlen, klingt zwar wie die Lösung für das Problem, verbietet sich aber wegen des Gleichheitsgrundsatzes in der Verfassung. Aber wenn die Löhne und somit die Kosten nicht gesenkt werden können, muss dann vielleicht an anderer Stellschraube gedreht werden? Muss Schwetzingens Lieblingsstengel einfach teurer werden?

Wussten Sie, dass Italiener und Franzosen im Vergleich deutlich mehr ihres Einkommens für Lebensmittel aufbringen als der Durchschnittsdeutsche? Bevor Sie mich nun hassen, auch ich möchte nicht mehr als ohnehin schon für Essen ausgeben. Andererseits möchte ich aber auch nicht, dass es Spargel nur noch aus Ägypten gibt – spätestens dann ist nämlich die Ära der Spargelstadt beendet. Wenn wir dementgegen mehr für das köngiliche Gemüse bezahlen, wer weiß, vielleicht wird Spargelstechen dann sogar wieder für Deutsche attraktiv.

Vielleicht gibt es nur den einen Weg: Spargelbauern, die nicht schon aufgegeben haben, berechnen ihre Kosten und kalkulieren danach den Preis, den sie verlangen müssen. Und der Kunde hat die Entscheidungsmacht: Entweder wir zahlen mehr oder Schwetzingen ist irgendwann die ehemalige Spargelstadt.

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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