In einer Demokratie müssen Parteien den politischen Willen ihrer Wähler ernst nehmen. Und lassen ihn im Idealfall in eine Entscheidung einfließen. Soweit die Theorie. In der Praxis ist vor allem der ehrenamtliche Gemeinde- und Bezirksbeirat gefragt: Er kennt sich – ebenfalls im besten Fall – im Stadtteil aus und weiß von den Sorgen der Menschen.
Stadtpolitik hat einen klaren Vorteil: Hier ist per Geschäftsordnung verankert, dass Mitglieder der Räte „nach ihrer freien, nur durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung“ handeln. An sonstige Verpflichtungen und Aufträge, auch an Parteien sind sie bei ihren Entscheidungen nicht gebunden. Eigentlich eine prima Sache.
Doch in der Realität sind vor allem Zeit und Geduld gefragt: In Mannheim gibt es 17 Stadtbezirke, alle haben eine eigene Prägung und eigene Bevölkerungsstrukturen. Darauf müssen sich die Vor-Ort-Politiker einstellen. Der Einsatz ist groß: Räte müssen auf der Höhe der Zeit sein, Vorlagen studieren, sich Informationen besorgen, nicht immer das große Ganze sehen – sie müssen konkrete Probleme lösen, direkt vor der Haustür. Mitunter leidet das Privatleben beachtlich.
Von Bürgerinnen und Bürgern erhoffen sich die Räte zu Recht mehr Unterstützung: Oftmals nimmt gerade mal ein Dutzend Unentwegter an den öffentlichen Sitzungen in den Vororten teil. Noch immer wissen viele Menschen nicht, dass der Bezirksbeirat sogar ein Budget zur Verfügung hat, mit dem Stadtteil-Projekte finanziell unterstützt werden können – das Geld muss in manchen Sitzungen wie sauer Bier angepriesen werden.
Die Mannheimer Räte klagen über einige Baustellen: Vorlagen der Verwaltung fehlen, es wird zu spät über Maßnahmen informiert, und mitunter fehlt durch die Kurzfristigkeit sogar die Zeit, sich überhaupt mit einem Thema zu beschäftigen. Und im schlimmsten Falle – wie unlängst bei der Entscheidung zur Speckweg-Sanierung – enthalten Vorlagen unstimmige Informationen, die zu einem Beschluss führen, der womöglich aufgehoben werden muss. Freilich, an vielen Stellen läuft es auch gut. Dennoch sollte sich die Verwaltung die Kritik der Beiräte zu Herzen nehmen. Schließlich wollen immer weniger Menschen ein Ehrenamt übernehmen – weder in der Politik noch als Vereinstrainer auf dem Fußballplatz. Wenn das System innerhalb weniger Wochen mehrfach krankt, Bürger und Ehrenamtliche das Gefühl haben, überflüssig zu sein, geht die Lust auf Stadtpolitik verloren – und damit ein wichtiger Baustein für unsere Demokratie.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-ehrenamt-in-der-stadtpolitik-ernst-nehmen-_arid,1970511.html
Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Ehrenamt in der Stadtpolitik ernst nehmen
Die Verwaltung sollte die Sorgen und Nöte der Stadträte und Bezirksbeiräte ernst nehmen, findet Eva Baumgartner. Ohne Ehrenamt in der Stadtpolitik geht Demokartie verloren.