Es war glatt und eisig am Mittwoch im Südwesten. Das ist für einen Tag im Januar für sich genommen keine besondere Sensation, man nennt diesen Zustand seit Jahrhunderten Winter. Und doch haben die staatlichen Stellen sehr massiv vor extremer Glätte gewarnt.
In den auf die Handys eingespielten Meldungen des Bundesamtes für Katastrophenschutz standen Formulierungen wie „Gefahr für Leib und Leben“. Man möge doch möglichst im Haus bleiben, Autofahren unterlassen und Straßen meiden.
Der Klimawandel wird für mehr Extreme sorgen
Dass es mittlerweile solche technisch automatisierten Warnungen gibt, liegt an dem großen Versagen mit vielen Toten während des Hochwassers an der Ahr 2021. Und möglicherweise ist es auch nötig, die Menschen für Naturgefahren wieder stärker zu sensibilisieren. Extreme Ereignisse werden uns wegen des Klimawandels künftig häufiger heimsuchen. Dann, liebe staatlich Handelnden, macht es aber bitte handwerklich richtig!
Wie kann es sein, dass am Mittwoch niemand das Haus verlassen soll, gleichzeitig aber das Bildungsministerium in Baden-Württemberg auf die Schulpflicht verweist, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler gar auffordert „Behinderungen nach Möglichkeit einzukalkulieren“?
Trotz Warnung: Schüler sollen in den Klassenraum
Natürlich hält sich das Bildungsministerium eine Hintertür offen. Nach dem Motto: Wer wegen des Wetters gar nicht durchkommt, dürfe „dem Präsenzunterricht ausnahmsweise fernbleiben“. In Rheinland-Pfalz betont das Mainzer Bildungsministerium gar, dass die Abiturarbeiten in Englisch geschrieben werden, „auch wenn ein Teil der Schülerinnen und Schüler von der Wetterlage betroffen sein könnte und dies verständlicherweise zusätzlichen Stress zur Folge haben kann“.
Während also die eine staatliche Institution mit lautem Piepton und alarmistischen Formulierungen vor einem extremen Unwetter warnt, sagt die andere staatliche Stelle unseren Kindern: Macht euch bitte mal schön auf den Weg zum Unterricht.
Glatteis, Eisglätte oder Schneeglätte? Die Unterschiede
- Eisglätte: Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) ist diese Form der Glätte besonders tükisch, weil Laien mit ihrem Auftreten nicht rechnen. Zudem muss vor dem Eintretten der Eisglätte nicht unbedingt Niederschlag fallen. Eisglätte entsteht durch Gefrieren von Schmelzwasser oder Wasseransammlungen auf Straßen und Wegen.
- Glatteis: Der DWD definiert Glatteis als spontanes „Gefrieren von unterkühltem Regen oder Sprühregen am Erdboden, an Gegenständen oder Pflanzen“. Es kann aber auch auftreten, wenn die Tröpfchen nicht unterkühlt sind, aber auf unterkühlte Gegenstände oder unterkühlten Boden fallen.
- Schneeglätte: Sie tritt nach der Definition des Deutschen Wetterdienstes dann auf, wenn eine Schneedecke auf Straßen und Wegen durch den Verkehr zusammengepresst oder durch Fußgänger festgetreten wird und die durch den Druck kurzzeitig verflüssigte und anschließend erneut gefrorene Oberfläche glatt ist.
- Reifglätte: Ist laut DWD auf Gehwegen und Straßen zu beobachten, wenn Reif durch Begehen oder Straßenverkehr zusammengepresst wird und die durch den Druck kurzzeitig verflüssigte und anschließend erneut gefrorene Oberfläche glatt ist. Hierzu kann der Reif sich auf Straßen und Brücken selbst gebildet haben oder von Bäumen auf die Straße herab gefallen sein.
Das ist natürlich mehr ein Schwank aus dem absurden Theater als ein Paradebeispiel für gelungenen Bevölkerungsschutz. Denn: Wenn eine öffentliche Warnung ausgesprochen wird, müssen auch alle staatlichen Stellen hinter dieser stehen und die entsprechenden Empfehlungen umsetzen.
Im Katastrophenfall gibt es ein hohes Gut, mit dem in ernsten Lagen viele Opfer vermieden werden können. Und das ist die Glaubwürdigkeit von Information. Bei der aktuellen Unwetterwarnung haben Länder und Bund das nicht gerade gefördert.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Glatteis und Schnee: Chaotische Warnungen verunsichern
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