Wer im Glashaus sitzt, so ein altes Sprichwort, soll möglichst nicht mit Steinen werfen. Seit ein Präsident offensichtliche Tatsachen nach Gutdünken interpretiert und beim Ertapptwerden seine Gehilfen von einer anderen Wahrheit sprechen lässt, schaut und hört man bei Informationen doch etwas genauer hin. Wenn Nebensächlichkeiten aufgeblasen und offizielle (Präsidenten-)Mitteilungen kurz danach per persönlicher Twitterei total anders dargestellt werden, schwanken die Gefühle zwischen ungläubigem Staunen, blankem Entsetzen und tiefer Besorgnis. Nur schmunzeln kann man, weil den Führer einer Weltmacht treffend, nicht mehr darüber.
Die Wahl zum Unwort des Jahres ist sicher völlig berechtigt, dennoch ist auch die selbstkritische Frage zu stellen, wie wir eigentlich mit der Wahrheit umgehen und ob das Grundvertrauen noch eine realistische Chance hat? „Die Medien“ haben dabei eine besondere Verantwortung: Sorgfältig arbeiten und mit eigenen Gedanken ein Thema behandeln und, im Gegensatz zu manch „hingeschmierten“ und häufig faktenfreien Auslassungen in Internetforen, mit verantwortbaren Redakteuren die hinter den Beiträgen stehen. Dass es auch hier Anlass zur kritischen Beobachtung gibt, wissen die Beteiligten. Nicht nur bei den Regenbogenblättern, deren haarscharfen Verdrehungen zwischen Tragödien und Märchen eine Frankfurter Sonntagszeitung eine eigene Rubrik widmet, auch bei den „seriösen“ Blättern werden der Einfachheit halber gelegentlich Schubladen mit verstaubten Begriffen geöffnet, die nur ungefähr passen und wie zurechtgebogen wirken. Wer eine vertrauenswerte Informations-Grundversorgung erhalten will, sollte deshalb „seine“ Medien konstruktiv-kritisch begleiten, sich aber auch immer wieder selbst fragen, ob er seine eigenen Informationen „wahrhaftig“ weitergibt.
Die Verantwortung für Informationskultur der Zukunft haben wir gemeinsam.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Im Glashaus
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