Dutzende Hollywood-Filme haben diese Situation für die Leinwand aufgeführt: Ein Scharfschütze legt unter freiem Himmel aus einiger Entfernung auf den US-Präsidenten an. Verletzt ihn schwer. Oder tötet ihn gar. Am Samstagabend hat möglicherweise nur eine Haaresbreite gefehlt und ein ebensolcher Attentatsversuch auf Donald Trump hätte im wirklichen Leben mit dem Tod des republikanischen Präsidentschaftskandidaten enden können.
Vier Monate vor dem Urnengang um das Weiße Haus. 48 Stunden vor Beginn des Krönungsparteitags, der Trump offiziell zum Kandidaten für das höchste Staatsamt ausrufen soll. Dass es nach ersten Befunden der Behörden bei einer Art Streifschuss blieb, der Trump am rechten Ohr traf, ist offenbar nur einem Schutzengel geschuldet. Gott sei Dank.
Nach den tödlichen Attentaten auf John F. Kennedy, Robert Kennedy und Martin Luther King vor fast 60 Jahren, nach dem versuchten Mord an dem damaligen Präsidenten Ronald Reagan stehen die USA erneut an einem Abgrund: Politische Gewalt hat sich wieder Bahn gebrochen bis ganz nach oben. Das Land ist in Schockstarre.
Viele Hintergründe, die den Akt erklären könnten, sind noch unbekannt. Das macht es Verschwörungsunternehmern gerade in sozialen Medien leicht, Volkes Gemütslage in Wallung zu bringen. Wenn Ex-Twitter-Boss Elon Musk noch Restbestände von Anstand besitzt, lässt er Schnellschüsse, die in einem extrem polarisierten Land leicht zu Vergeltungsaktionen (Rechte gegen Demokraten/Linke) führen, sofort blockieren. Es liegt jetzt an allen Menschen in Verantwortung in Politik, Medien und Gesellschaft, die Empörungsmaschine nicht weiter anzuheizen.
Joe Biden ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Er hat die Gewalt gegen seinen Kontrahenten vehement als „krank“ verurteilt und Trump seine Gebete für eine schnelle Heilung zugesichert. Er sprach mit „Donald“ noch am Abend persönlich. Die Konsequenzen des Attentatsversuchs sind noch nicht zu übersehen. Die Republikaner werden ihren Parteitag in Milwaukee wie geplant durchführen. Darf sich Trump einer Solidaritätswelle gewiss sein, die ihn im November erneut ins Weiße Haus spült? Alle Vorverurteilungen und So-war-es-Erzählungen verbieten sich jetzt. Aber klar ist und bleibt: Gewalt, begünstigt durch über 400 Millionen Schusswaffen in Privatbesitz, hat sich unwiderruflich in die DNA der Supermacht eingefressen.
Über die Gründe wird seit Jahrzehnten spekuliert. Dabei zeigen, man muss es leider auch im Frühstadium der Aktualität so sagen, zehn Finger auf die Politik zurück. Republikaner wie Demokraten stilisieren die Wahl im November zu einer Schicksalswahl hoch.
Für die einen wird Amerika zur christlich-fundamentalistischen Diktatur, weil Trump im Schutz des Obersten Gerichts autokratische Grundzüge entwickelt und seine Gegner einsperren lassen will. So geht die erste Erzählung. Für die anderen steigt Amerika zur von Millionen illegalen Einwanderern überrannten Bananenrepublik ab, in der Babys noch nach der Geburt abgetrieben werden dürfen, wenn Biden im Amt bleibt. So geht die andere.
Beide Zerrbilder sind so extrem, wahrheitsfern und unversöhnlich, dass man seit Trumps Amtsantritt 2017 gehäuft darüber raunt, ob die USA schleichend in ein neues Bürgerkriegsszenario schlittern. Die Schüsse von Butler müssen eine Zäsur bedeuten. Die auf die Spitze getriebene Feindseligkeit, an der Trump seinen Anteil hat, muss aufhören. Auf beiden Seiten. Das Land braucht Besonnenheit – am besten einen Inlandsfriedensgipfel.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Nach den Schüssen auf Donald Trump steht Amerika am Abgrund
Dirk Hautkapp ist der Meinung, dass die Vereinigten Staaten nach den Schüssen auf Donald Trump nun unbedingt einen Friedensgipfel brauchen, kommentiert er