Kommentar Neue Formel-1-Saison: Inszenierte Anarchie

Alexander Müller zum Start der neuen Formel-1-Saison

Veröffentlicht
Kommentar von
Alexander Müller
Lesedauer

Mannheim. Man stelle sich vor, in der Fußball-Bundesliga würde nur noch acht gegen acht gespielt, der Ball wäre 350 Gramm schwerer und die Tore 70 Zentimeter schmaler. Außerdem müssen der FC Bayern und Borussia Dortmund in der Vorbereitung einen Tag pro Woche pausieren, während Arminia Bielefeld und der FC Augsburg durchtrainieren dürfen. Die Formel 1 hat ihre Regeln vor dem Start in die neue Saison so gravierend geändert wie noch nie in ihrer 72-jährigen Geschichte.

Der schleichende Bedeutungsverlust hat zu einer Revolution in der Königsklasse des Motorsports geführt. Das Ziel: Die Unterschiede zwischen den Top-Rennställen und dem Verfolgerfeld nivellieren, um so für mehr Unberechenbarkeit und Spannung zu sorgen.

Vor dem ersten Rennen in Bahrain ist deshalb nur eines gewiss – die Ungewissheit. Die Formel-1-Boliden fahren mit größeren Reifen, es gibt striktere Vorgaben bei den Abmessungen, aerodynamische Veränderungen und Hybridmotoren, die mit mindestens zehn Prozent Biosprit befüllt werden müssen. Außerdem müssen Rennställe wie Mercedes oder Red Bull, die zuletzt die Szene dominierten, regelmäßig mit ihren Testfahrten aussetzen, während Durchschnitt-Teams wie Sebastian Vettels Aston Martin durchgehend fahren dürfen.

Mehr zum Thema

Auto

Alfa Romeo F1 Team Dokumentation

Veröffentlicht
Von
Jutta Bernhard
Mehr erfahren

Es ist unter diesen Umständen nicht ausgeschlossen, dass der Heppenheimer nach auskurierter Corona-Erkrankung wieder regelmäßig um Podestplätze mitfährt, während Weltmeister Max Verstappen oder Altmeister Lewis Hamilton weiter hinten im Feld um den Anschluss kämpfen. Die neue Formel-1-Saison gleicht einem Blindflug durch den Nebel.

Warum das Ganze? Eine längst existenzielle Krise. Die Zuschauerzahlen gehen beständig zurück, Traditionskurse wie der Hockenheimring können sich das Spektakel nicht mehr leisten, der weitgehende Abschied aus dem frei empfangbaren Fernsehen hat das Interesse speziell in Deutschland sinken lassen – und das, obwohl neuerdings in Mick Schumacher ein großes Talent mit verheißungsvollem Namen mitfährt.

Ob die inszenierte Anarchie auf Asphalt den Trend zur Irrelevanz stoppen kann, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Die Formel 1 wirkt aus der Zeit gefallen, nicht nur wegen der Klimadebatte. Auch das munter weiter in unter Menschenrechtsaspekten indiskutablen Ländern wie Bahrain, Saudi-Arabien oder Aserbaidschan gefahren wird, weil dort eben das Geld sitzt, schlägt seit dem Ukrainekrieg noch verheerender auf das ohnehin angekratzte Image als früher. Die Formel 1 lässt sich immer noch von Autokraten instrumentalisieren – darüber kann auch die unausweichliche Absage des Grand Prix im russischen Sotschi nicht hinwegtäuschen.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB